Trotzdem: Das Angebot des Hamburger Start-up-Unternehmens stößt bei vielen Arbeitgebern, aber auch Ärzten und Kassen selbst auf Kritik. Denn anfangs wurden die Bescheinigungen sogar per WhatsApp verschickt. Ein Vorgehen, das mittlerweile eingestellt wurde. Vom Tisch ist die Rechtmäßigkeit dieser Online-Krankenscheine trotzdem noch nicht. Auch wenn es auf der Internetseite des Anbieters heißt: "Die AU ist bundesweit und in der Deutschland-Österreich-Schweiz-Region gültig. Ihr Arbeitgeber muss die AU anerkennen" raten einige Ärztekammern von der Nutzung dieses Online-Angebotes ab.
"Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und Kassenärztliche Vereinigungen (KVen) sorgen sich um einen neuen Markt in Deutschland, der aufgrund der vom 121. Deutschen Ärztetag beschlossenen Lockerung des ausschließlichen Fernbehandlungsverbots entsteht", so das Fazit, das aus einem gemeinsamen Positionspapier von KBV und allen Kassenärztlichen Vereinigungen (außer Thüringen) hervorgeht. Hintergrund für die deutliche Positionierung: "Derzeit drängen erste Unternehmen und Start-ups unterschiedlicher Größe auf den Markt, um im Gesundheitswesen neue, in der Regel onlinebasierte Dienstleistungen, die sich direkt an die Patienten richten, anzubieten. Diese wittern lukrative Geschäftsmodelle, um den Patienten, die als Kunden gesehen werden, Versorgungsleistungen anzubieten", heißt es von KBV und KVen.
Die Körperschaften sehen das vertrauensvolle Arzt-Patienten-Verhältnis in Gefahr. "Die Unternehmen argumentierten damit, aus deren Sicht bestehende Lücken in der ambulanten Versorgung zu schließen und Wartezeiten auf einen Besuch beim Facharzt oder Psychotherapeut zu überbrücken. Dabei geht es aus unserer Sicht um einen elementaren Eingriff in das vertrauensvolle Verhältnis zwischen Arzt und Patient", erklärten KBV und KVen weiter.
Beide kündigten zudem an, der freien Wirtschaft und Krankenkassen nicht den Markt überlassen zu wollen. Die KVen würden "funktionierende digitale Angebote" machen, die an den Bedürfnissen der Patienten ausgerichtet sind, heißt es in dem Papier. Man wolle dabei höchsten Ansprüchen an Datenschutz und Datensicherheit genügen.
Pilotprojekt der Krankenkasse
Auch eine Form von digitalem Krankenschein, allerdings einer, bei dem man um einen Arztbesuch nicht herumkommt: Die AOK Bayern und das südbayerische Arztnetz "Patient-Partner" kooperieren bei einem digitalen Pilotprojekt. Seit Anfang September erfassen die Arztpraxen des Verbundes die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für ihre Patienten digital und leiten diese direkt an die Krankenkasse weiter. Für Arbeitnehmer entfällt somit der Versand ihrer Krankmeldung an die Krankenkasse. "Höchstmögliche Sicherheitsstandards garantieren eine datenschutzkonforme verschlüsselte Verbindung", versichert Peter Krase, Ressortdirektor bei der AOK Bayern. In dem Pilotprojekt profitieren rund 23 000 AOK-versicherte Patientinnen und Patienten in etwa 130 Arztpraxen. Bislang haben die Ärzte des Netzes jährlich über 10 000 Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausgestellt.
Bayernweit gab es im vergangenen Jahr über 5,25 Millionen Krankmeldungen für AOK-versicherte Patienten. Diese wurden auf Papier ausgedruckt. Ab 2021 soll die digital übermittelte Krankschreibung flächendeckend eingeführt sein. "Die digitale Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung verringert den bürokratischen Aufwand erheblich. Zudem schont sie auch die Umwelt, weil sich der Papierverbrauch spürbar reduziert", erklärt Peter Krase.