Eigener Inhalt Hoch ansteckend

Wolfgang Plank

Der neue Opel Corsa-e darf nach Corona gerne auch viral gehen …

 
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Wer aktuell zu Cor… anhebt, hat Aufmerksamkeit sicher – sofortige Distanz allerdings gleich mit. Zu sehr hat das Virus derzeit unser Leben infiziert. Dabei könnte man statt Corona Corsa sagen. Und dass der sich gerne verbreiten dürfte in seiner ansteckenden Form. Leider würde kaum einer an ein Elektroauto denken. Sage noch jemand, das Schicksal habe keine bösen Launen.

Opel trifft der Corona-Shutdown besonders hart. Im Zeichen des Blitzes zu arbeiten, war lange Zeit tatsächlich ein Symbol für schweres Wetter. Im Verbund mit GM sah man kaum Sonne – und nach dem Verkauf an PSA zunächst nur wenig. Dann, nach ersten Gewinnen, vorsichtiger Optimismus – doch jetzt, da die Rüsselsheimer mit dem Corsa-e ihr wichtigstes Auto zeigen, haben die meisten statt Karossen bloß Konserven und Klopapier im Sinn. Welch bittere Fügung.

Denn Opels Zukunft wird sich vor allem am Corsa weisen – mit gut 14 Millionen Exemplaren in 38 Jahren Bestseller wie Markenbotschafter gleichermaßen. Und ganz besonders an dem, der den Blitz eben nicht bloß im Logo trägt. Ab heute
steht die Hochspannungs-Variante im Schaufenster. Für 29 900 Euro gibt’s 136 PS und 337 Kilometer Radius (WLTP).

Mit 4,06 Metern bleibt der Corsa-e kompakt, das Dach verläuft schick wie bei einem Coupé. Und: Er ist eben kein Zwilling des gerade zum "Car of the Year" gekürten Peugeot 208, sondern überzeugt mit eigens gefälteltem Blech. Nicht so frech wie der Löwen-Look – aber das, was Opel-Chef Michael Lohscheller "mehrheitsfähig" nennt. Einzig die Frontscheibe ist identisch.

Auch innen ist der Corsa-e ganz Opel – mit digitalen Instrumenten und ohne das aufgesetzte i-Cockpit à la France. Vorne geht’s geräumig zu, auch den Hintersassen bleibt genug Raum für Kopf und Knie, allerdings fordert der Einstieg in zweiter Reihe etwas Demut vor dem Dach. Das Gepäckfach fällt mit 267 Litern ordentlich aus – und bloß um 40 Liter kleiner als bei der Kolben-Konkurrenz, umgeklappt findet sogar ein guter Kubikmeter Platz.

Der akzeptable Schwund liegt daran, dass sich der Akku in den Tiefen des Bodens verbirgt. Und wenn man dem Reiz der Beschleunigung nicht allzu oft erliegt, innerstädtisch kurvt und an Heizung wie Klimatisierung spart, reichen seine 50 kWh im Alltag nahe an den Laborwert heran. Radius ist zuvörderst eine Frage des Gleichmuts. Klar macht der Corsa-e auch Tempo 150, aber Dynamik kostet eben Distanz – alte Batterie-Fahrer-Weisheit.

Wer’s nicht so sehr im Fuß hat, kann die Sache auch in die Hand nehmen: Bei Schalter auf "Eco" gibt die Elektronik ausreichende 82 PS frei, bei "Normal" sehr ordentliche 109 und in Stellung "Sport" die volle Ladung. Beim Ampelstart ist man da weit vorne – 2,8 Sekunden bis zum innerstädtischen Limit schaffen auch Verbrenner nicht rudelweise.

Nachhaltiger ist das Gegenteil: Fuß vom Pedal und per Rekuperation Strom gewinnen. Der Grad lässt sich in zwei Stufen wählen, wobei "B" ordentlich Vortrieb saugt, aber noch ohne Bremslicht auskommt. Gut gelungen ist den Opel-Ingenieuren das "Blending". Jene aus der Destillier-Branche entlehnte Kunst des Mischens – in diesem Fall von mechanischer und elektrischer Verzögerung. Und zwar so, dass das Gefühl stets gleich bleibt.

Mit 136 PS ist der Corsa-e nicht nur nominell Familien-Kraftprotz, er macht auch am meisten Spaß. Mag der Blitz im Vergleich zum Löwen der optisch Bodenständigere sein, in Sachen Fahrwerk ist er spürbar sportlicher. Womöglich meint Lohscheller auch das, wenn er davon spricht, Opel sei noch nie so deutsch gewesen. Dass der Corsa-e trotz des tieferen Schwerpunkts nicht ganz so knackig kann wie die Spritis der Baureihe – geschenkt. Immerhin sind knapp 350 Extra-Kilos in der Bahn zu halten.

Apropos: Wie sparsam die Fahrt auch sein mag – irgendwann ist der Akku leer. Ab Werk lädt der Corsa-e einphasig, drei Phasen kosten 1190 Euro extra. Immerhin: 30 Minuten am 100-kW-Lader drücken 80 Prozent Kapazität in die Batterie, an einer Wallbox zapft man gute fünf Stunden, an der heimischen Steckdose dreimal so lange. Pfiffig, aber auch 720 Euro teuer: das Universal-Set. In Sporttaschen-Größe bietet es jeden denkbaren Adapter. Sinnbild für die immer noch lästige Vielfalt des Stöpselns – aber auch das gute Gefühl, es scheitere wenigstens nicht am Stecker.

Und letztlich ist alles bloß eine Frage der Einstellung: Für den Corsa GS Line mit 130 Benzin-PS ruft Opel 23 340 Euro auf. Das ist fast genau der Preis, für den man – dank staatlicher Prämie – in die Akku-Version steigen kann. Dort muss man zwar auf Sportsitze, Alu-Pedale und schwarzen Himmel verzichten – spartanisch aber geht’s keineswegs zu. Klimaautomatik, Digi-Cockpit und Radio sind Serie, zudem wahrt der Corsa-e Spur und Abstand, erkennt Verkehrszeichen, wirft zur Not den Anker – und für acht Jahre (bis 160 000 Kilometer) garantiert Opel 70 Prozent der Batterie.

Hoch ansteckend macht das den Corsa-e in jedem Fall. Und nach Corona darf er dann gerne auch viral gehen …

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