Zurück ins Mittelalter Kampfgeschrei und Knochenschmuck

Anica Trommer

In Goldlauter-Heidersbach tut sich eine andere Welt auf. Eine, in der Frauen die Macht der Kräuter anpreisen oder mit rabenschwarzen Vögeln kuscheln und eine, in der Männer mit Schwertern kämpfen und aus Knochen Schmuck kreieren. Es ist Zeit fürs Mittelalter.

 
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Tyrwald von Sadowa hat einen Faible für Wildschweine. Allerdings kommen sie bei ihm nicht etwa auf den Grill, sondern um den Hals. Er fertigt Schmuck aus den Knochen von verendeten Waldbewohnern. In ganz Deutschland ist er mit seiner Familie unterwegs, um nach dem begehrten Rohstoff zu suchen. „Wir sind sehr verbunden mit der Natur und übernachten sogar draußen“, sagt er. Vor allem Überreste, an denen Biss- und Nage-Spuren zu sehen sind, wecken sein Interesse und machten ein Schmuckstück noch interessanter, findet er.

In der heimischen Werkstatt im bayerischen Wunsiedel reinigt, kocht und bleicht er die Fundstücke. Das Material gebe ihm vor, was aus ihm werden soll, sagt er. Mal bemalt er die Röhrenknochen mit Runen und magischen Symbolen, mal füllt er Harz hinein. „Ob am Ende ein Anhänger draus wird, kann ich erst sagen, wenn ich die Knochen aufschneide“, erzählt er. Scheibe um Scheibe schneidet er vom Knochen ab und bohrt ein Loch hinein – fertig ist der perfekte Mittelalter-Schmuck, der bei den Besuchern des Mittelaltermarktes auf dem Flugplatz in Goldlauter-Heidersbach Aufsehen erregt.

Seelenlose Rinderknochen

Auch Rinderknochen verwandelt er in Unikate. „Aber die sind sehr hell und ich muss sie erst bearbeiten, um ihnen eine Seele zu geben“, sagt er. Auch, dass seine zweijährige Tochter großer Stein-Fan ist, macht sich Tyrwald von Sadowa zunutze. Die Brocken werden eingewebt, zurechtgeschnitten oder -gehauen und schließlich zu einmaligem Schmuck verarbeitet.

Den Beruf des Knochenschnitzers war zur Zeit des Mittelalters bekannt, erzählt er. 2019 machte auch Tyrwald von Sadowa sein Hobby zum Beruf.

Elke du Bois kennt sich in der Welt der Pflanzen bestens aus. Die zertifizierte Öko-Bäuerin aus Sachsen-Anhalt weiß um die mystische Kraft der Unkräuter. „Ich nenne sie viel lieber Stützkräuter“, betont sie. Seit 20 Jahren wachsen auf ihren Felder Giersch, Flockenblume, Goldrute oder Beifuß. Letztens wandert Jahr für Jahr in die Weihnachtsgans. Warum, weiß das selbst ernannte Kräuterweib. Er sei das einzige Kraut, dass die tierischen Fette aufspalte und so verträglicher für den Magen mache, erklärt sie. Auch den Kampf der Gartenbesitzer gegen den ungeliebten Giersch könne sie nicht verstehen. Denn er sei vitaminreich und gut gegen Gelenkprobleme.

Ein Unkraut gegen jedes Zipperlein

Ihr Wissen behält die Frau von Wald, wie ihr französischer Nachname übersetzt heißt, nicht für sich. Die Leute kämen zu ihr, schilderten ihr Zipperlein und sie kreiere dann einen Tee, der die Leiden mindere, sagt Elke du Bois. Auf dem Mittelaltermarkt ist sie auch mit ihrer Kiepe unterwegs, um auf die Bedeutung der Kräuter, die vor der eigenen Haustür wachsen, hinzuweisen.

Seit 19 Jahren Raben-Mutter

Ein Händchen fürs Tier hat Anastasia Volkhonov. Darauf sitzt ein pechschwarzer Rabe. Mara hat sie den Vogel getauft, als er vor 19 Jahren als Küken zu ihr kam. „Er hat nie in Freiheit gelebt, sondern wurde gezüchtet, genauso wie seine Eltern“, erzählt sie. Mutige Marktbesucher wagen sich näher ran, sodass der Vogel auch auf ihren Händen Platz nehmen kann. „Es ist ein Raubtier, deswegen ist er festgebunden. Wegfliegen würde er nicht“, ist sich die Raben-Mutter sicher. Ihre Mara höre genau auf die Kommandos, die sie bekommt. Sprechen könne sie aber nicht. Nur die männlichen Raben würden das tun. Zuhause lebt Mara in einer großen Voliere und wenn das Wetter gut ist, darf sie eine Runde fliegen. Ansonsten tourt sie mit Frauchen Anastasia Volkhonov über verschiedene Mittelalterfeste.

Nebenan beäugen Adler, Falken und mehrere Eulenarten die vorbeilaufenden Besucher mir Argusaugen. Sie gehören zum Team der Ansgard Pferdeshow und Falknerei von Holger Schönfeldt und Yvonne Ligetth. Doch zuerst haben die Pferde ihren großen Auftritt. Mehrmals verwandeln sie sich in Schlachtrösser von Rittern. „Wir haben verschiedenen Show in petto, je nachdem, was der Veranstalter bucht“, sagt Holger Schönfeldt. Mit Reitvorführungen habe alles angefangen. Über die Jahre bauten sie Schauspiel-Einlagen ein und legten sich Kostüme – auch für Auftritte als Cowboys und Indianer – zu. Am Wochenende sind es vor allem die Rittervorführungen, mit Schaukämpfen und Feuershow, die die Gäste anziehen.

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