Viele fuhren betrunken nach Altschauerberg
Die Aussagen der Opfer vor Gericht, die sich zum Teil in anderen Verfahren selbst wegen Vergehen verantworten müssen, zeigten das deutlich. Viele fuhren betrunken nach Altschauerberg und lockten den „Drachenlord“ mit lauten Beschimpfungen oder durch Randale an seinem Zaun aus dem Haus. In einem im Prozess gezeigten Video ist zu hören, wie sie dadurch planen, „ihn in den Knast zu bringen.“ Der Blogger ist zu dem Zeitpunkt schon wegen Körperverletzung zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.
Die Richterin bezeichnete ihn bei der Urteilsbegründung deshalb als Täter und Opfer zugleich. „Dieses Verfahren ist ein trauriges Beispiel dafür, welche Folgen Hass und Mobbing im Internet haben“, sagte sie.
Der Blogger Sascha Lobo bezeichnete das Urteil damals als „empörend“. Der „Drachenlord“ sei „ein Opfer, das unsagbar gequält wurde und dem nichts blieb, als sich zu wehren“, schrieb er in seiner Online-Kolumne beim „Spiegel“. Der Fall zeige: „Wenn ein Tausende Köpfe starker Hassmob im Netz beschließt, eine Person fertig zu machen - kann die Bundesrepublik dem nichts entgegensetzen. Schlimmer noch - der Hassmob ist durch die Unwissenheit und den Zynismus von Staatsorganen und der medialen wie sozialmedialen Öffentlichkeit in der Lage, den Staat zum Komplizen zu machen.“
Immer wieder tauchen „Hater“ auf
Sein Haus hat der 32-Jährige inzwischen an die Gemeinde verkauft und ist weggezogen. Doch auch danach tauchen immer wieder Hater dort auf, um Fotos zu machen oder Innenansichten zu filmen, wie auf einem Telegram-Kanal zu sehen ist. Die Gemeinde wollte das Haus in den nächsten Tagen abreißen lassen. Zumindest in Altschauerberg könnte dann Ruhe einkehren.
Um den „Drachenlord“ ist es dagegen alles andere als still geworden. Er reist jetzt mit seinem Auto umher und postet davon Videos - und auch jetzt beobachten ihn die Hater, teilen auf Telegram Fotos von seinem Auto und versuchen, seinen Aufenthaltsort herauszufinden.
„Es gleicht einer Verfolgungsjagd“, meint Gürtler. Ein Ende ist seiner Ansicht nach nicht in Sicht. „Es wird nicht aufhören, bis er aufhört zu streamen“, sagt der Experte. Ähnlich sieht es Solmecke: Man dürfe nicht vergessen, dass er als Youtuber mit Aufmerksamkeit sein Geld verdiene, sagt er. Die Provokation sei auch Teil seines Geschäfts.