Wirtschaft Flüchtling, keine Ausbildung und doch schon Arbeit gefunden

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Zufriedene Gesichter: Cornelia Fuchs, Geschäftsführerin der Hani Montagebetrieb GmbH, ist froh, nach einem Jahr Suche endlich einen neuen Mitarbeiter gefunden zu haben. Mohammed ist glücklich, dass er nach der Flucht aus Syrien in Südthüringen nun auf eigenen Füßen stehen kann. Foto: ari

Im November 2015 kam Mohammed Tabeke aus Syrien nach Südthüringen. Sein Asylantrag wurde abgelehnt, doch er wird geduldet. Schon im März fand Mohammed Arbeit. Weil er unbedingt wollte.

 
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Zella-Mehlis - Nein, dies ist nicht die Geschichte des syrischen Arztes, der sich mit seiner Familie auf den Weg gemacht hat, um sein vom Bürgerkrieg zerbombtes Land zu verlassen, und nach einer lebensgefährlichen Fahrt über das Mittelmeer schließlich in Deutschland ankommt, wo ihn Krankenhäuser mit Kusshand aufnehmen. Dies ist auch nicht die Geschichte eines syrischen Ingenieurs, der fließend Englisch spricht und nach seiner Flucht in Deutschland problemlos in einer Entwicklungsabteilung eines Technologiekonzerns eine Arbeit findet.

Dies ist die Geschichte von Mohammed Tabeke. Syrer. 33 Jahre alt. Er entspricht so gar nicht dem Klischee, das manche Menschen im vergangenen Jahr von den Menschen zeichneten, die massenhaft über das Mittelmeer und die Balkanroute nach Deutschland drängten. Aus Syrien kämen nur hervorragend ausgebildete Akademiker, die die deutsche Wirtschaft dringend brauche, hatten manche versucht, gegen Vorurteile anzuargumentieren. Nein, Mohammed ist kein Akademiker. "Zur Schule bin ich nie gegangen", sagt der kräftige junge Mann mit dem freundlichen Gesichtsausdruck. Gearbeitet? Ja, das habe er. Als Fliesenleger, Klempner, Tischler, Anstreicher und Elektriker. Ob er eine Ausbildung habe? Mohammed schüttelt den Kopf. Ein Zertifikat von der Unicef, das habe er, ja. Weil er im Flüchtlingscamp als Klempner gearbeitet habe.

Doch auch wenn Mohammed mit seinem Lebenslauf so gar nicht dem Idealbild entspricht, auf das mache gehofft hatten für den deutschen Arbeitsmarkt, hat er doch schon eine Arbeit gefunden. Dabei ist er noch nicht einmal ein Jahr in Deutschland. Im November 2015 kam er in Thüringen an. Familie? "Nein, die habe ich nicht." Mehr will er dazu nicht sagen. Seine Chefin, Cornelia Fuchs, Geschäftsführerin der Hani Montagebetrieb GmbH in Zella-Mehlis, erzählt später, dass Mohammed früh seine Eltern verloren habe. Seine Mutter sei wohl 2007 gestorben, so viel habe sie inzwischen über ihn erfahren. "Er ist es gewohnt, hart zu arbeiten", sagt sie, das habe sie schon früh gemerkt. Überhaupt ist sie voll des Lobes für ihren Mitarbeiter, der seit März im Unternehmen ist. Fleißig, pünktlich, wissbegierig mit schneller Auffassungsgabe. So beschreibt sie ihn.

Genau so einen Mitarbeiter hatte Fuchs für ihr Unternehmen gesucht. Mehr als ein Jahr lang. "Es kamen öfter mal Bewerber zum Probearbeiten, aber darüber ging es meistens nicht hinaus", beklagt die blonde Frau. Es ist keine High-Tech-Arbeit, die Hani ihren Mitarbeitern anbietet. An den beiden Standorten in Zella-Mehlis und Benshausen erledigen die 50 Mitarbeiter Montagearbeiten für die Bau- und Elektroindustrie. Lohnfertigung. Für 8,50 Euro Mindestlohn plus Leistungszulage. "Auf zwölf Euro die Stunde kommen meine Mitarbeiter, wenn sie ihre Leistung bringen", sagt Fuchs. Dafür sind in Südthüringen kaum Bewerber zu finden.

Eigene Wohnung

Mohammed jedoch ist zufrieden. Die Arbeit mache Spaß, die Kollegen seien nett. Inzwischen hat er eine eigene Wohnung in Benshausen, zusammen mit einem anderen Flüchtling, den er in der Erstaufnahmeeinrichtung in Suhl kennengelernt hat. Kollegen nehmen ihn morgens mit zur Arbeit. Oder er läuft, oder fährt mit dem Fahrrad.

Stolz zeigt Mohammed, was er bei Hani macht. In Zella-Mehlis montieren die Mitarbeiter Hohlkörpersysteme der Schweizer Firma Cobiax. Sie werden am Bau verwendet, um Betondecken leichter bauen zu können. Außerdem lässt sich mit dem System die Spannweite der Betondecken zwischen den Stützsäulen erhöhen, erklärt Georg Miedzik, Mitglied der Geschäftführung der Cobiax AG. Damit die Technik funktioniert, montiert Mohammed in Zella-Mehlis schwarze Kunststoffhalbschalen aufeinander, die dann in ein Drahtgeflecht kommen. Cobiax liefert diese Systeme auf Baustellen in alle Welt. "Dort, wo der Lohn auf dem Bau unter dem deutschen Mindestlohn liegt, fertigen wir die Systeme auf den Baustellen. Dort, wo der Lohn auf dem Bau über dem deutschen Mindestlohn liegt, liefern wir die Systeme fertig montiert an", erklärt Miedzik. Und genau diesen Job erledigt Mohammed mit seinen neun Kollegen.

Inzwischen ist er nicht mehr der einzige Ausländer bei Hani. Ein Albaner arbeitet am Platz gleich neben ihm. Die beiden verstehen sich gut. Ein weiterer Albaner soll demnächst anfangen. Die Vorbehalte in der Belegschaft seien anfangs groß gewesen, berichtet Fuchs. Doch die seien schnell verflogen, als die Kollegen Mohammed kennengelernt hätten.

Dass er bei Hani gelandet ist, liegt daran, dass sich die Suhler Arbeitsagentur schon früh dazu entschlossen hatte, auf dem Friedberg ein Büro zu eröffnen. Im Februar dieses Jahres sei Mohammed dort erschienen, berichtet Eckhard Lochner, Geschäftsführer der Suhler Agentur. Schnell hätten die Mitarbeiter erkannt, dass er motiviert sei. Und so kamen schließlich die lange Suche der Firma Hani und Mohammeds Wunsch nach Arbeit zusammen. Auch wenn Mohammeds Geschichte nicht die eines Bilderbuch-Flüchtlings mit perfekter Ausbildung ist.

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