Heim kann heimelig klingen – bei manchen aber auch schlechte Gefühle auslösen. Daher nahm die Stiftung Beiserhaus als Träger des Paul-Hildebrandt-Hauses in Wernshausen das 75-jährige Bestehen zum Anlass, sich von dem alten Namen zu verabschieden.
75 Jahre lang sprach man in Wernshausen vom Kinderheim, zum Jubiläum gibt es einen neuen Namen: Das Haus, in dem momentan 16 Kinder und Jugendliche leben, heißt fortan Kindervilla Paul Hildebrandt. Die Stiftung Beiserhaus hält das für zeitgemäßer.
Heim kann heimelig klingen – bei manchen aber auch schlechte Gefühle auslösen. Daher nahm die Stiftung Beiserhaus als Träger des Paul-Hildebrandt-Hauses in Wernshausen das 75-jährige Bestehen zum Anlass, sich von dem alten Namen zu verabschieden.
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Bereichsleiterin Gabriele Berk enthüllte zur 75-Jahr-Feier vor Kindern und Gästen das neue Schild und erklärte, was hinter der Umbenennung zur „Kindervilla Paul Hildebrandt“ steckt. Die Stiftung habe sich in den vergangenen Jahren immer wieder mit dem Begriff „Heim“ auseinandergesetzt. Da gibt es schöne Interpretationen, die Verbindung zur (Ersatz-)Heimat etwa, ein neues Heim oder Zuhause, was der Anspruch der Einrichtung immer war und bleibe. Andererseits wisse man auch um Machtstrukturen der Heimerziehung, besonders in den 50er- und 60er-Jahren. Manche Kinder seien mit einer enormen Willkür konfrontiert gewesen, legte Gabriele Berk dar. „Arbeit, Ordnung, Disziplin und Unterordnung im Kollektiv hat manche tiefe Verletzung hinterlassen.“ Auch hätten Heimkinder Gewalt erfahren. Bei vielen löse der Begriff immer noch negative Assoziationen aus, für sie könne es wichtig sein, eine andere Sprache zu sprechen.
Also Villa statt Heim. Die Stiftung möchte damit auch deutlich machen, dass sie möglichst sensibel mit dem Thema umgehen, Machtstrukturen immer wieder kritisch reflektieren und geeignete Schutzkonzepte umsetzen wolle.
Außerdem passt die Bezeichnung Villa gerade in Wernshausen sehr gut. Die Kinder und Jugendlichen haben im Gründungsjahr 1948 mit dem Haus an der Puschkin-Straße tatsächlich eine Villa der ehemaligen Sägewerksfamilie Fischer bezogen.
Im Garten des Hauses wurden die schweren Gedanken zur Namensänderung von einer leichten Sommerfeststimmung umweht. Die Kinder pusteten Seifenblasen ins Bild, hinterm Haus waren Pavillons aufgestellt, eine Hüpfburg ergänzte zur Feier des Tages die Spielgeräte im Garten. Der Bratwurst-Grill wurde angeheizt, Kuchen angerichtet und die Schminkfarben für bunte Kindergesichter hervorgeholt. Wer wollte, konnte sich das Haus zeigen lassen. Landrätin Peggy Greiser zählte zu den Gästen, Ortsteilbürgermeister Fabian Amborn, Vertreter von Betrieben und Sponsoren, Vereine und Freunde des Hauses.
Zum Auftakt der Feier hatte die Stiftung Beiserhaus zur Andacht mit Pfarrerin Stephanie Reinhardt ins Gemeindehaus eingeladen. Die Kinder zeigten einstudierte Tänze und Stiftungsdirektor Björn Keding erinnerte kurz an die Geschichte des Hauses, für das sich der damalige Landrat des Kreises Meiningen, Paul Hildebrandt, stark gemacht hatte. Der einstige Buchenwald-Häftling und SPD-Politiker starb im Gründungsjahr der Kindervilla, er erlebte die Eröffnung nicht mehr mit.
In den Anfangsjahren, zur Zeit massiver Nöte, habe man „versucht, aus dem, was da ist, das Beste zu machen“, sagte Keding. Das Haus bot zunächst vor allem Kriegswaisen eine Zuflucht; im Lauf der Jahre zogen Kinder aus unterschiedlichsten Gründen in die Villa. Manche kamen als Kleinkind und verließen das Haus erst als junge Erwachsene wieder. Schon zur 70-Jahr-Feier 2018 war von mehr als 500 Kindern die Rede, die hier eine vorübergehende Heimat gefunden hatten.
Die Zeit der Wende bedeutete auch für das Wernshäuser Haus einen tiefen Einschnitt, man wusste zunächst nicht, wie es weitergeht. Mit der Stiftung Beiserhaus fand sich 1991 ein Träger, der an mehreren Standorten in Hessen und Thüringen jungen Menschen professionelle Hilfe anbietet. Deren Direktor dankte zur Feier allen, die das Leben in der Villa möglich machen, Erziehern wir Kindern. Sie möchte die Stiftung als Partner nicht missen, ergänzte Landrätin Peggy Greiser und hatte, wie andere Gäste, Geschenke mitgebracht. Christian Bechmann aus Wernshausen etwa kam als Vertreter der Rotarier vorbei, der Club unterstützt die Kindervilla seit Jahren. Als nächstes, teilte er mit, wolle man die Kinder zu einem Ausflug nach Oberhof einladen.