Weltschlaganfall-Tag Mit einem Schlag ist alles anders

Dr. Alexandra Finn ist die Leiterin der Zentralen Notaufnahme des Elisabeth Klinikums Schmalkalden. Hier erklärt sie den Teledoc. Foto: Elisabeth Klinikum

Der 29. Oktober ist Weltschlaganfall-Tag. Er wurde im Jahr 2006 von der Weltschlaganfall-Organisation (WSO) ins Leben gerufen, um über die Prävention von Schlaganfällen aufzuklären. Dr. Alexandra Finn vom Elisabeth Klinikum Schmalkalden spricht im Interview über Ursachen und Möglichkeiten der Behandlung.

 
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Ein Schlaganfall kann innerhalb von vier Stunden nach den ersten Symptomen gut behandelt werden. Die Leiterin der Zentralen Notaufnahme des Elisabeth Klinikum Schmalkalden, Dr. Alexandra Finn, arbeitet bei der Aufnahme eines Schlaganfall-Patienten mit dem Telenetzwerk der Friedrich-Schiller-Universität Jena zusammen. Über den Teledoc können zwei Ärzte online per Videokonferenz in Verbindung treten. Die Jenaer Mediziner können direkt in die Behandlung des Patienten in der Schmalkalder Notaufnahme eingreifen und unterstützen. Alexandra Finn ist sehr dankbar für diese Hilfestellung im Ernstfall. Im Interview erzählt sie über ihre Erfahrungen mit Schlaganfall-Patienten, deren Beschwerden, Behandlungsmöglichkeiten und dem Wunsch Betroffener, nach mehr Geduld von ihren Angehörigen.

Wie macht sich ein Schlaganfall bemerkbar? Welche Beschwerden treten auf?

Ein Schlaganfall kann sich beispielsweise durch Schwindelgefühl, Sehstörungen, Halbseiten-Lähmungen, Sprachverständnis- und Sprechstörungen oder Kopfschmerzen bemerkbar machen. Die bekannteste Symptomatik ist die Halbseiten-Lähmung des Körpers, bei der eine Gesichtshälfte auch mit betroffen ist. Gleichzeitig tritt die Unfähigkeit Wörter richtig auszusprechen auf, obwohl der Patient die richtigen Wörter denkt. Man nennt dies eine motorische Aphasie bzw. Broca-Aphasie.

Was ist im Ernstfall zu tun? Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?

Im Ernstfall sollte immer die 112 gewählt werden und das so schnell wie möglich. Wir Ärzte haben starkes Interesse daran, die Diagnostik und Therapie im vierstündigen Zeitfenster umzusetzen und jegliche Zeitverzögerung durch Transporte oder nicht verfügbare Diagnostik zu verhindern. Das möglicherweise durchblutungsgestörte Areal im Gehirn muss möglichst klein gehalten werden, ebenso das Areal, welches möglicherweise durch eine Blutung zu Schaden gekommen ist. Nur selten stehen in der Abwägung von Therapienutzen- und -gefahren nach vier Stunden noch andere interventionelle Therapieoptionen zur Auswahl.

Hat ein Schlaganfall-Patient Schmerzen?

Tückischerweise haben die meisten Patienten keine Schmerzen. Der Betroffene merkt vielleicht, dass er Schwierigkeiten beim Sprechen hat und dass sein Arm kribbelt. Legt er sich dann hin, in der Hoffnung, dass es dann nach dem Schlafen besser wird, ist kostbare Zeit für die Behandlung im Krankenhaus verloren.

Nach einem Schlaganfall: Was passiert bei der Akutbehandlung und was bei der darauffolgenden Rehabilitation?

Bei der Akutbehandlung werden Medikamente verabreicht, damit die Gerinnsel, die in der Gefäßbahn entstanden sind, wieder aufgelöst werden können. Das Gefäß wird wieder durchgängig gemacht, das nachfolgende Gewebe wird wieder durchblutet. Der Thrombus im Gehirn kann dadurch aufgelöst werden. Man muss hier aber auch zwischen systemischen und lokalen Lysen, gegebenenfalls auch Thrombektomien unterscheiden, wenn also interventionell am Ort des Geschehens das Gerinnsel mittels Kathetertechniken entfernt wird. Ganz risikofrei ist dies nicht und eine erhöhte Blutungsgefahr möglicherweise lebensgefährlich. Daher bedarf es einer ständigen medizinischen Überwachung eines Schlaganfall-Patienten.

Die Rehabilitation dient dazu, Areale, die im Gehirn betroffen waren, wieder zu akquirieren. Beispielsweise wird bei einer vorliegenden Broca-Aphasie das motorische Ausdrücken des gedachten Wortes trainiert. Der Logopäde lernt dem Patienten wieder Wörter mit Lippen und Zungen auszubilden. Leider können manche Patienten den Schluckakt nicht mehr autonom ausführen. Umso flüssiger die Substanz, die geschluckt werden soll, desto schwieriger wird die Aufgabe für den Patienten.

Gedächtnistherapie und „Gehirnjogging“ kann ergotherapeutisch im Mittelpunkt stehen, physiotherapeutische Konzepte zur aktiven Beweglichkeit der gelähmten Körperseite sind erforderlich um sogenannte Residuen geringfügig zu halten. Es geht also um das Trainieren von Alltagskompetenzen.

Wie spürt der Betroffene die Einschränkungen im Alltag?

Patienten werden die betroffene Seite des Schlaganfalls immer wieder als die muskulär schwächere Körperhälfte wahrnehmen. Es kann eine Fallneigung zur schwachen Seite auftreten und ein gestörtes Gleichgewichtsempfinden. Betroffene mit eingeschränkter Sprache werden dies abends eher wahrnehmen als morgens. Alltägliches kann zur Herausforderung werden.

Was können Ursachen für einen Schlaganfall sein? Wie kommt es zu den Einschränkungen?

Die strukturelle Ursache liegt meist in einem Gefäßverschluss, das kann ein Gerinnsel sein oder aber eine plaque-beschichtete Gefäßwand, die keinen ausreichenden Durchfluss erlaubt. Diese Gefäßengstellen entstehen oftmals im Zusammenhang mit einem arteriellen Bluthochdruck. Und dieser gehört zu den klassischen Erkrankungen einer Wohlstandsgesellschaft, neben dem Übergewicht, Fettstoffwechselstörungen und Diabetes mellitus, der Zuckerkrankheit. Eins führt eben zum anderen. Die Medizin spricht auch von einem metabolischen Syndrom. Eine weitere Ursache für einen Schlaganfall kann aber auch eine Blutung im Gehirn sein, wenn die Gefäßwand geplatzt ist. Auch hier spielt der Bluthochdruck eine wesentliche Rolle und wird durch negative Effekte von Lifestylefaktoren begünstigt.

Was sind mögliche Risikofaktoren? Was kann ich gegen einen Schlaganfall tun?

Gesunde, kochsalz- und fettarme Ernährung, Nikotinabstinenz, ein adäquater BMI, kein Dauerstress und regelmäßige Bewegung können sich positiv auf den Körper auswirken und das Schlaganfall-Risiko reduzieren.

Was geben Sie Angehörigen auf den Weg?

Angehörige sollten in der Akutsituation Ruhe bewahren und dem Betroffenen im Nachgang Geduld entgegenbringen. Beide Seiten müssen sich gegenseitig helfen, um zusammen Bewältigungsstrategien zu entwickeln.

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