Vortrag zu Porzellanwerk Von Ilmenaus Alt-Henneberg bis Neu Gerona auf Kuba

Klaus-Ulrich Hubert
Der Facebook-Auftritt des Porzellan-TVereins hebt so manchen Schatz an Erinnerungen des Lebens der Henneberg-Beschäftigten. So wie hier bei der Henkeputzer-Nummer aus dem Brigadebuch der Gießerei. Foto: /Klaus-Ulrich Hubert

Wilhelm Bekos befasst sich in einem Vortrag mit dem früheren Porzellanwerk-Direktor Emil Leutner. Dabei beleuchtet er bislang wenig bekannte Kapitel.

 
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Zum bevorstehenden „ersten MoMo“-Abend (jeweils erster Montag im Monat) der Pflege Ilmenauer Porzellan-Tradition ist am 4. April ab 18 Uhr ins Vereinslokal Goethepassage eingeladen. Mit Spannung wird vor allem der Vortrag des Heimatgeschichts-Aktivisten Wilhelm Bekos erwartet.

Der hat sich tief hinein in die Biografie, in umfangreiche Ilmenauer Stadtarchiv-Unterlagen, die hoch anerkannten Leistungen aber auch Nazizeit- Zwiespältigkeiten des früheren Porzellanwerk-Direktors Emil Lentner (1880 – 1955) hineingearbeitet. Frühere Henneberg-Porzelliner, die ihn noch im Altwerk Erfurter Straße / Zur Aktien erlebten, charakterisierten den über die großen Porzellanwerke wie Selb, Karlsbad, Kahla und Meißen 1934 nach Ilmenau gekommenen Porzellanwerk-Direktor gern mit dieser Episode: „Um Mitarbeiter nicht durch sein unerwartetes Erscheinen bei einem möglichen irregulären Päuschen zu erwischen und kompromittieren, räusperte er sich bei seinem Herannahen stets unüberhörbar…“

Lentners „Vaterländischer“

Welche Rolle spielte Lentner, der ein Jahr nach Beginn der NS-Zeit Ilmenaus großes Porzellanwerk übernahm und hier zum Begriff für international gefragtes Porzellan wurde im Kontext mit dem üppigen Zwangsarbeiter-Geschäft aus besetzten Gebieten Europas?

Ein bislang wenig bekanntes Kapitel, das Bekos in seinen Ausführungen ebenso beleuchten wird wie Lentners Nachkriegs-Wirken in der jungen DDR. „Nicht leicht wurde es ihm, sich damit abzufinden, dass anstelle der früheren Aktionäre nach 1945 die Arbeiter das Werk selbst mit zu leiten begannen“, schrieb die damalige Lokalpresse und ergänzte: „An seinem letzten Geburtstag nahm er große Ehrungen entgegen, erhielt aus den Händen unseres Arbeiterpräsidenten Wilhelm Pieck den Vaterländischen Verdienstorden in Silber“.

Noch bis zum 4. September erinnert übrigens im Goethe-Stadt-Museum die Sonderausstellung „Glanzstücke der Ilmenauer Porzellanfabrik von 1871 bis 1971“ an hundert Jahre Porzellantradition Ilmenaus, bevor 1973 der Industrieneubau am Eichicht mit über 2000 Beschäftigten schrittweise in Betrieb ging. Umfängliche Dokumentationen und eine Übersicht zu allen ehemaligen Porzellanwerken von Ilmenau und Umgebung sind zudem auf der Vereinshomepage zu finden.

Herzliche Grüße auf Kuba

Geradezu zum Selbstläufer ist seit Monaten die Präsenz des rührigen Vereins, der noch immer um Mitgliederzulauf und vor allem einen Kassenwart bemüht ist, durch seine Facebook-Gruppe „Ilmenauer Porzellantradition“. Die widerspiegelt bildreich unter anderem das in Brigadetagetagebüchern und der Betriebszeitung „Henneberg Report“ Leben auch jenseits des reinen Arbeitslebens.

Hier gibt es nicht nur deutschlandweite Anfragen zu oftmals geerbten alten Porzellanen und deren Herkunfts- beziehungsweise Formen- und Dekorbestimmung, sondern fast tägliche Freundschaftsanfragen. Aus Ilmenau und Umgebung aber neuerdings auch aus Amerika.

„Descanse en paz, excelente persona“ – kam als Antwort-Posting aus Kuba von dessen größter Nebeninsel (Isla de la Juventud): Als herzliche Reaktion auf ein Bild-Text-Erinnerungs-Posting zum zehnten Todestag des umsichtigen kubanischen Betreuers Felino Pérez am 23. März 2012. Von der westlich Kubas gelegenen „Insel der Jugend“ kamen in den 1980er Jahren über hundert Vertragsarbeiter des VEB Graf von Henneberg Porzellan nach Ilmenau.

Die halfen über den eklatanten DDR-Arbeitskräftemangel und kehrten als Gegenleistung später als Facharbeiter u.a. auf die Insel-Hauptstadt Nuevo Gerona (Neu Gerona) zurück, wo es ebenfalls Keramikfertigung gab.

Ob von Maritza Suarez, Olga Diequez Pérez, Noraida Aguilera und viele der anderen wöchentlich neuen kubanischen Facebook-Gruppen-Aufnahme-Bitten: Die frühere Stadträtin Ingeborg Giewald (Linke) steht mit Dutzenden kubanischer „Ex-Henneberger“ im Kontakt, erwägt sogar eine organisierte Gruppenreise zu denen nach Kuba.

„Und auch unsere früheren Ungarn-Vertragsbeschäftigte melden sich längst hier zu Wort“, freut sich Vereinsvorstand Michael Kühnlenz. Ehemalige polnische und vietnamesische Vertragsarbeiter, dürften im weltweiten (in dem Fall echten!) sozialen Netzwerk auch nicht mehr lange auf sich warten lassen. Eine Busreisegruppe von der Donau besuchte vor Jahren den stillgelegten Betrieb und ihre früheren Wohnungen direkt neben Henneberg.

Gespannt auf die Zukunft der allmählich zerbröselnden „Kulisse“ ihres früheren Arbeitslebens sind indes alle, die soeben vom Kauf und Nachnutzungsansinnen der riesigen Henneberg-Immobilie durch eine Martinrodaer Projektgruppe in dieser Zeitung lasen.

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