Von wegen hochgeklappte Bürgersteige: Schleusingen bummelt durch die Nacht

Karin Schlütter

In den Südthüringer Kleinstädten ist auch nach Sonnenuntergang etwas los. Hunderte Menschen bevölkerten zur Slusia-Night 2021 die Schleusinger Innenstadt. Tausende Lichter und einzigartiges Flair begeisterten die Bürger und ihre Gäste.

 
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Schleusingen - Als St. Kilians Ortsteilbürgermeister Robin Lützelberger mit der ganzen Familie und Schwiegereltern von der Sonne-Ecke in die Bertholdstraße einbiegt, verabschieden sich die letzten Sonnenstrahlen von einem schönen Spätsommertag. Yvonne Rüttinger und Kirsten Leifheit von der Initiative Stadtmarketing zünden die Kerzen an auf Fenstersimsen, am Marktbrunnen…

Es ist 19 Uhr, das Fest beginnt, und schon ist die Stadt voller Leben. So wie die Breitenbacher Familie sind viele viele Menschen unterwegs an diesem Freitagabend, ganz in Familie, mit Freunden, voller Erwartung, voller Freude. Sie kommen aus allen Ortsteilen und darüber hinaus. Es werden immer mehr, je näher die blaue Stunde rückt, die Zeit zwischen Tag und Nacht. Jetzt zeigt die Stadt wie sie leuchten kann, nicht nur im Glanz tausender Lichter. Jetzt zeigt sie, was möglich ist, wenn alle zusammen stehen.

Die Initiative Stadtmarketing zaubert ein Fest und versteht es, immer mehr Partner mitzunehmen. Im vorigen Jahr verbot Corona diese Lichternacht. Umso so größer ist die Freunde in diesem Jahr wieder mittendrin zu sein im neu erwachten, noch behutsamen Leben. So groß ist die Sehnsucht nach Begegnungen, nach Geselligkeit.

Zwischen Klosterstraße und Burghof sind hunderte große und kleine Menschen unterwegs gut gelaunt. Fröhliches Hallo in den Straßen und auf den Plätzen. Aufgeregte Kinder lassen die Leuchtstäbe funkeln, tragen stolz ihre bunten Leuchtluftballons, die bei „Herma‘s Optik“ gefüllt werden.

Die sechsjährige Frieda, gerade ist sie in die Schule gekommen, hält zwei der Rallyekarten in der Hand und ist mit ihren Eltern und dem kleinen Bruder Franz auf der Suche nach dem nächsten Punkt. An elf Stationen werden Glitzersteine gesammelt. Jetzt hat sie ihre Klassenleiterin entdeckt.

Im Pavillon am wunderschön geschmückten Zaun des Gymnasiums mixt Daniela Svatek gemeinsam mit Jana Brodführer und dem Team vom Förderverein des Hennebergischen Gymnasiums unermüdlich Cocktails mit und ohne Alkohol. Die machen sich besonders gut in beleuchteten Cocktailflaschen mit dezentem Logo des Fördervereins. Die Gläser sind begehrt und haben am Ende alle neue Besitzer, wie auch die Keramikarbeiten aus den Kunstkursen der Schule.

Die fünfjährige Marlene ist fasziniert von den leuchten Blütenkränzen im Haar. Die gibt es neben Glitzertattoos ein paar Meter weiter bei Alex Blaurock am Salon Haircupe. Hier finden auch Tombolalose für den guten Zweck reißenden Absatz.

Überraschungen

Neben dem Bio-Laden von Elke Otto ist der elektrisch betriebene Modellballon des Thüringer Ballonsportclubs Schleusingen der Hingucker. Vereinschef Swen Gaudlitz ist die Begeisterung, in dieser besonderen Nacht dabei zu sein, anzumerken. „Das ist auch eine Werbung für uns“, meint er lachend und lädt schon mal zur 25. Thüringer Montgolfiade vom 10. bis 14. August nach Heldburg ein. Die Jubiläumsmontgolfiade wird was ganz Besonderes, verspricht er. Die Bons zur Verlosung einer Fahrt mit dem Heißluftballon gibt Susan Prause gratis aus, „weil es so ein schöner Tag und solch ein schönes Fest ist“, sagt sie lachend.

Ein paar Meter weiter spielen Saxophonisten der Schleusinger Big Band vor der Klosterapotheke beschwingte Melodien. Vis-a-vis in der Klickstelle stellt der Vorsitzende der Initiative Stadtmarketing, André Rüttinger, mit dem holografischen Display eine interessante Neuheit vor. Später wird hier Jongleur Leinado mit einer „umWerfenden ShoW“ auch mit dem Feuer spielen. Es gibt so viel zu sehen, zu erleben, auch zu verkosten.

In der Bertholdstraße gibt es fast vor jedem Laden Snacks, Eierlikörchen, neckische Kleinigkeiten, die Freude machen, und Mühe. „Aber es macht Spaß, diese Nacht ist jede Anstrengung wert“, meint Susanne Förster im Blumenladen. Die „Luftknöpfe“, eine Akkordeongruppe macht Stimmung und Wolfang und Denise tanzen dazu vor dem Kunstraum.

Es liegt eben ein Zauber über dieser angenehm temperierten Spätsommernacht. Und das Wetter passt, auch zum schottischen Whisky, der in allen Varianten verkostet werden kann bei André Lautensack und seinem Team. Während es aus der Bäckerei nach frischem Zwiebelkuchen duftet, will die Schlange am Bratwurststand der Fleischerei Fratzscher kein Ende nehmen. Die Firma schenkt zur Feier ihres 111-jährigen Bestehens auch Jubiläumssekt aus.

Sogar 115 Jahre werden bei Eggers in der Heimatshoppen-Woche gefeiert. Ina Spanaus verschenkt an Stammkunden herzige Holzlöffel. Und um die Ecke am Markt feiert Heike Haselbach mit ihrem Stadtcafe und interessanten Kreationen ihr fünfjähriges Bestehen. Das „Schaufele“ in der Marktbude, das Sascha Böttger von der „Teutschen Schule“ gekocht hat, ist zwar schon gegen acht Uhr alle, „aber die Linsensuppe schmeckt auch“, empfiehlt eine junge Frau, die gerade ihren leeren Teller zurückbringt.

Vor der „Glockenblume“ lassen es sich Christa Heubach und Karola Eichorn bei Gebäck und Rosensecco gut gehen. Sie wollen diese Nacht unbedingt erleben. Großes Hallo, als Edith Werner aus Heckengereuth vorbei kommt. „Wir haben mal zusammen gearbeitet“, erklärt sie. Es ist auch die Nacht der Wiedersehensfreude nach langer Zeit ohne Veranstaltungen, ohne Geselligkeit.

Da tut es auch den Musikern gut, endlich wieder vor Publikum spielen zu können. Die Jojo-Band aus Coburg, in dem Fall als Duo mit Heiko Herrmann und Mario Rohr, macht richtig gute Musik“, freut sich Tobi Wilhelm von der Band Dogvill. Die Coburger hat das Team der „Ratsstube“ zur Slusia-Night geholt. Weiter im alten Schulhof, vor Hörgeräte Möckel spielen und singen Peter Gleicke und Rebecca Siegling. „Sie hat eine tolle Stimme“, bewundert Jürgen Weiß die junge Frau. Töne, um einen Moment inne zuhalten im nächtlichen Trubel, klingen aus der St.-Johannis-Kirche: Der warme Klang der Orgel.

Königlicher Besuch

Auf dem Weg zum Schlosshof der Bertholdsburg begegnen wir königlichen Gästen. Jennifer Risch, die aktuelle Thüringer Wurstkönigin flaniert mit dem Thüringer Bratwurstkönig Norbert Abt und dem Thüringer Wanderfleischerpaar Irene und Werner Kästner aus Wechmar durch die Nacht.

Auch im illuminierten Schlosshof wird gute Musik gemacht. Lies und Andreas Seifart, Tochter und Vater, unterhalten hier die Gäste. Die vier Gruselführungen für die Kinder sind allerdings restlos ausgebucht. Und selbst das Schlossgespenst bekam von den Suppen des Museumsfreundeskreises gar nichts mehr ab.

Mittlerweile ist es 22 Uhr geworden. Lothar, der Drehorgelspieler, dreht seine letzten Runden. Ende der Slusia-Night? Viel zu schön ist diese Nacht, noch zu viele Menschen sind unterwegs. Das Fazit ziehen die Menschen übereinstimmend in Superlativen: Genial, fantastisch, und das Wetter, toll. Monika Malter aus Zella-Mehlis bringt es auf den Punkt: „Einfach schön, so viele Menschen und so liebevoll arrangiert.“

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