Versandhandel Führt der Black Friday zum Blackout bei den Zustellern?

Jolf Schneider

Personalmangel und hoher Krankenstand setzen Post- und Paketzustellern seit Wochen zu. In vielen Orten klagen die Menschen, dass sie ihre Sendungen mit Verspätung erhalten. Doch die Wochen des höchsten Postauskommens beginnen gerade erst.

 
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Vor allem in der Vorweihnachtszeit quellen die Verteilzentren der Zusteller oft über. Der Black Friday könnte die Situation zusätzlich verschärfen. Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

Am Freitag ist Black Friday. Rabatte locken Tausende Thüringerinnen und Thüringer derzeit zum Online-Shopping. Und auch viele Innenstädte beteiligen sich an den Rabattaktionen Ende November, die seit einigen Jahren immer stärker aus den USA auch nach Deutschland schwappen.

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In diesem Jahr ist allerdings noch nicht klar, ob die Rabattaktionen aufgrund der hohen Inflation wirklich ein Erfolg werden. Viele Verbraucher halten sich mit Einkäufen über das täglich Benötigte hinaus zurück. Kaufzurückhaltung nennen Ökonomen das.

Für eine Berufsgruppe haben die Rabattwochen und die sich daran anschließende Weihnachtszeit aber noch ganz andere Konsequenzen: Eine besonders hohe Arbeitsbelastung. Denn angesichts der aus dem Online-Shopping resultierenden Paketberge geraten Beschäftigte bei Post- und Zustelldiensten sowie in der Lagerwirtschaft unter Druck. Und das macht sich bei der Gesundheit der Beschäftigten negativ bemerkbar. Auswertungen der Krankenkasse Barmer zeigen, dass der Krankenstand in dieser Berufsgruppe um 57 Prozent höher ist als im Thüringer Durchschnitt.

Berufstätige in Thüringens Zustellbranche und Lagerwirtschaft waren voriges Jahr im Schnitt 35,1 Tage arbeitsunfähig gemeldet, teilte die Kasse am Dienstag in Erfurt mit. Berufsübergreifend liegt der Wert im Freistaat bei 22,4 Tagen. „Von 1000 Beschäftigten in dieser aktuell so stark geforderten Berufsgruppe fallen täglich fast 100 krankheitsbedingt aus“, erklärte Birgit Dziuk, Landesgeschäftsführerin der Barmer. Das sei bundesweit der höchste Krankenstand. Bemerkbar mache sich dieser Umstand bereits seit einigen Wochen, in denen es Medienberichten zufolge bereits zu verzögerten Zustellungen gekommen ist.

Insbesondere Rückenleiden führten bei Beschäftigten der Zustellbranche und Lagerwirtschaft zu hohen krankheitsbedingten Fehlzeiten, berichtet die Kasse. Die durchschnittlich 10,9 Tage, die die Betroffenen mit dieser Diagnose fehlen würden, lägen knapp 120 Prozent über dem Thüringer Mittelwert von fünf Fehltagen aufgrund von Rückenbeschwerden. Auch Verletzungen wie Frakturen, Zerrungen oder Schürfwunden schlügen mit überdurchschnittlichen Fehlzeiten zu Buche. In der Gruppe der Zustelldienste und Lagerwirtschaft führten sie voriges Jahr zu fünf Fehltagen, während der Thüringer Schnitt bei 2,7 Tagen liegt.

„Um Beschäftige in der Zustellbranche und Lagerwirtschaft wenigstens etwas zu entlasten, kann man beispielsweise beim Online-Einkauf darauf achten, dass möglichst viele Artikel in einer Bestellung zusammengefasst werden. Eine kleine Hilfe kann auch sein, dem Zusteller oder der Zustellerin bei der nächsten Lieferung ein paar Schritte entgegenzugehen“, sagte Dziuk.

In der Pflicht sieht sie aber auch die Arbeitgeber. Diese könnten mit Angeboten zur Gesundheitsförderung und einem effektiven betrieblichen Gesundheitsmanagement viele Hebel bewegen, um die Mitarbeitergesundheit zu stärken.

Erst am Montag hatte die Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft Verdi für die rund 160 000 Tarifbeschäftigten bei der Deutschen Post AG eine Tarifsteigerung von 15 Prozent mit einer Laufzeit von zwölf Monaten gefordert. Der Beschlussfassung durch die Tarifkommission sei in der Zeit vom 17. Oktober bis 15. November 2022 eine Befragung der Verdi-Mitglieder in den Betrieben der Deutschen Post AG vorausgegangen. An ihr hätten sich bundesweit 43 139 Mitglieder beteiligt.

„Das Ergebnis hat eindeutig gezeigt, dass die Beschäftigten den Inflationsausgleich und darüber hinaus die Teilhabe am Unternehmenserfolg erwarten“, hatte die Gewerkschaft am Montag mitgeteilt. Die Deutsche Post AG hatte vor Kurzem erneut erklärt, ihr Rekordergebnis des vergangenen Jahres nochmals zu steigern. „Unsere Mitglieder erwarten den Inflationsausgleich und darüber hinaus eine Beteiligung am Unternehmenserfolg. Sie haben in den letzten Jahren unter höchsten Belastungen gearbeitet und brauchen diese deutliche Lohnsteigerung auch, um ihren Lebensunterhalt sichern zu können”, sagte die stellvertretende Verdi-Vorsitzende und Verhandlungsführerin Andrea Kocsis. Die Tarifverhandlungen werden am 6. Januar 2023 aufgenommen.