Verfassungsgericht In der einen Stadt wohnen und in der anderen im Stadtrat sitzen?

Karnevalspräsident Thomas Kemmerich. Foto: imago /Karina Hessland

Thüringens FDP-Chef Thomas Kemmerich ist mit seiner Klage gegen die Aberkennung seines Erfurter Stadtrats-Mandats endgültig gescheitert. Er zog die Verfassungsbeschwerde zurück.

 
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Gerichtsverhandlungen müssen nicht immer mit einem „Im Namen des Volkes verkünde ich folgendes Urteil...“ enden. Insbesondere nicht, wenn es etwa am Verfassungsgericht um ganz grundsätzliche Fragen geht. So, wie am Donnerstag in Weimar. In der Pressemitteilung des Verfassungsgerichtshofes heißt es am Ende ganz salomonisch: „Nach Erörterung der Sach- und Rechtslage wurde die Verfassungsbeschwerde zurückgenommen.“

Das kann man vielleicht am besten übersetzen mit: Dem Kläger wurde klar gemacht, dass er keine Aussicht auf Erfolg hat. Kläger, das war in diesem Fall FDP-Landeschef und Kurzzeit-Ministerpräsident Thomas Kemmerich. Er wandte sich vor dem höchsten Gericht des Freistaats gegen die Entscheidungen des Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichts Weimar. Die erste Instanz hatte die Wahl Kemmerichs in den Erfurter Stadtrat für ungültig erklärt, weil Kemmerich eben nicht in der Landeshauptstadt, sondern in Weimar wohnt. Und die zweite Instanz die Berufung gegen das Urteil abgelehnt.

Keine „Landeskinder-Klausel“

Nun ist es so, dass Kemmerich in Erfurt kein Unbekannter ist. Was nicht so sehr an seiner kurzen Amtszeit als Ministerpräsident oder an seinem Sitz im Landtag liegt. So ist Kemmerich eben auch Präsident der Gemeinschaft Erfurter Carneval, in der zwölf Karnevalsvereine zusammengeschlossen sind. Und damit auch als Ober-Karnevalist der Stadt fungiert. Gerade erst soll er die Insolvenz der GEC abgewendet haben, die nach den zwei Mal in der Pandemie ausgefallenen Deutschen Meisterschaften im karnevalistischen Tanzsport drohte.

Doch das Karnevals-Engagement ist nach Ansicht der Juristen nicht ausreichend, um auch in den Stadtrat gewählt zu werden. Sowohl Kemmerichs Familie wohnt in Weimar, auch seine Unternehmen haben in der Klassikerstadt ihren Sitz. Daher sei er für Erfurt nicht wählbar.

Das Thema ist für das Verfassungsgericht keineswegs neu. In den 1990er Jahren mussten sich die Weimarer Richter gleich mehrfach mit der sogenannten Landeskinderklausel beschäftigen, nach der nur Einheimische in den Landtag gewählt werden dürfen. Da ging es um Fälle wie den damaligen Wirtschaftsminister Franz Schuster (CDU), der zwar im Gästehaus der Landesregierung in Erfurt gemeldet war, dessen Familie in Sankt Augustin bei Bonn wohnte. Oder um den einstigen Vize-Kulturminister der DDR, Klaus Höpcke von der PDS, der in Berlin wohnte. 1997 hatte das Gericht noch geurteilt, man dürfe Wahl- und Meldegesetz nicht so auslegen, dass eine politische Tätigkeit ausgeschlossen sei. Jetzt habe man sich damit beschäftigt, ob Landes- auf Kommunalwahlrecht übertragbar sei, heißt es aus Weimar. Dass die Antwort ganz offenkundig Nein lautet, zeigt der Ausgang der Kemmerich-Klage.

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