Urteil in Erfurt Aus Rassismus zugeschlagen – ergibt höhere Strafe

Am Landgericht Erfurt wurden rassistische Motive für einen Angriff auf drei Männer aus Guinea jetzt strafverschärfend gewertet. Foto: dpa//Martin Schutt

Fast drei Jahre ist es her, dass in Erfurt drei Männer aus Guinea überfallen und zusammengeschlagen wurden. Jetzt hat das Landgericht Erfurt ein Urteil gesprochen und eine besondere Regelung des Strafrechts genutzt.

 
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Wie anders dieses Urteil des Landgerichts Erfurt ist, das lässt sich sehen, nur wenige Minuten, nachdem der Vorsitzende Richter der zuständigen Strafkammer, Holger Pröbstel, seine Ausführungen beendet hat. Zwei der drei Männer, um deren Schicksal es in diesem Verfahren vor allem ging, sind noch immer im Saal. Sie waren es schon, als Pröbstel das Urteil verkündet und begründet hatte. Nun geht er zu ihnen, erkundigt sich nach ihrem Befinden und wünscht ihnen für die Zukunft alles Gute.

Es ist eine Geste der Höflichkeit. Eine Geste der Solidarität. Was banal klingt, ist alles andere als alltäglich an Gerichten in Thüringen und Deutschland.

Die wenigen Worte, die Pröbstel mit den beiden Männern wechselt, passen deshalb um so mehr zu diesem Tag, an dem ein Urteil verkündet wird, das auch nicht alltäglich ist. Immerhin wird nun – vermutlich erstmals in Thüringen – bei einer Gerichtsentscheidung gegen Rechtsextreme ein Paragraf des Strafgesetzbuches angewandt, der es erlaubt, bei Verurteilungen die Strafe zu verschärfen, wenn aus ihr eine „rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende“ Motivation spricht. Genau das ist nach Überzeugung Pröbstels und der anderen Richter dieser Strafkammer geschehen, als die zwei Männer sowie einer ihrer Freunde im Sommer 2020 in Erfurt von Rechtsextremen überfallen worden waren.

Die drei Männer, die alle aus Guinea stammen, waren damals auf dem Nachhauseweg. Im Erfurter Stadtteil Herrenberg waren sie an einem Gebäude vorbeigekommen, in dem eine rechtsextreme Gruppierung ihr Hauptquartier hatte und vor der die Neonazis damals feierten. Nach Überzeugung des Gerichts schlugen und traten mehrere der Rechtsextremen dann auf die drei Guineer ein. Sie verletzten sie teilweise schwer. Während des Angriffs wurden die Opfer massiv rassistisch beschimpft, was unter anderem auf einem Notruf deutlich zu hören ist, den einer der Männer noch absetzen konnte. „Was in dieser Nacht passiert ist, lässt einen als Bürger schon erschaudern“, sagt Pröbstel bei der Urteilsbegründung.

Von den insgesamt sieben in dem Prozess Angeklagten verurteilt die Kammer nun vier Männer wegen deren mutmaßlicher Beteiligung an dem Übergriff. Drei von ihnen sollen nach dem Willen des Landgerichts Erfurt ins Gefängnis. Sie würden unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung zu Haftstrafen zwischen zwei Jahren und vier Monaten und vier Jahren und neun Monaten verurteilt, sagt Pröbstel. Ein weiterer Angeklagter erhalte eine Bewährungsstrafe von zwei Jahren, unter anderem mit der Auflage, 2000 Euro an einen Verein zu zahlen, über den Flüchtlinge anderen Flüchtlingen helfen. Drei Angeklagte spricht das Gericht von den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft Erfurt, sich ebenfalls an der Attacke beteiligt zu haben, frei. Es gebe keine ausreichenden Beweis für deren Tatbeteiligung, sagt Pröbstel. Auch für Rechtsextreme gelte der Rechtsgrundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“.

Quasi im Umkehrschluss aber betont Pröbstel mehrfach und immer wieder, was schon die Vertreter der Staatsanwaltschaft Erfurt in ihrem Plädoyer gesagt hatten: Dass der Übergriff eindeutig rassistisch motiviert gewesen sei und deshalb hart bestraft werden müsse. Es habe sich um „eine äußerte brutale Tat“ gehandelt, die aus „einer verurteilungswerten Gesinnung“ heraus begangen worden sei, sagt er. Dennoch seien die vier Männer nicht wegen der Ideologie verurteilt worden, der sie folgten. Sondern weil sie aus rassistischen Motiven heraus gehandelt hätten. „Dafür hat die Kammer null Verständnis, null Verständnis.“

Alle Verteidiger hatten auf Freisprüche für ihre Mandanten plädiert. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es kann über das Rechtsmittel der Revision beim Bundesgerichtshof angefochten werden.

Die Opferberater von ezra reagieren nicht nur negativ auf die Entscheidung des Gerichts; was auch zu den Nicht-Alltäglichkeiten dieses Tages gehört, immerhin ist ezra eigentlich ausgesprochen justizkritisch. Einerseits bleibe das Urteil hinter den Erwartungen der Opferberater zurück, sagt eine Sprecherin von ezra, wo man auf die Begleitung von Menschen spezialisiert ist, die rechtsextreme Gewalt erleben mussten. Andererseits sei es gut, dass bei der Strafzumessung die rassistische Motivation der Tat berücksichtigt worden sei. Dies sei nun mutmaßlich das erste Mal in einem solchen Verfahren in Thüringen geschehen. „Das begrüßen wir ausdrücklich.“

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