Insgesamt rückt somit das EZB-Ziel von mittelfristig zwei Prozent in Reichweite. Bei diesem Wert sehen die Währungshüter ihr oberstes Ziel erfüllt, für einen stabilen Euro zu sorgen und so die Kaufkraft der Menschen zu erhalten. Lagarde betonte: "Ich sage nicht, wir warten, bis wir bei zwei Prozent sind, bis wir eine Entscheidung treffen."
Denn: Die Kerninflation ohne Energie und Nahrungsmittel ist deutlicher zäher. "Die Inflation ist noch nicht besiegt", mahnte der Chefvolkswirt des Bankenverbandes BVR, Andreas Bley. Die Teuerung bei Dienstleistungen, die auch den weiterhin hohen Anstieg der Löhne und Gehälter widerspiegele, sei noch vergleichsweise hoch.
Auch aus der Wirtschaft kam Zustimmung zum zunächst unveränderten Kurs der Notenbank. "Die weiter sinkende Inflationsrate ist ein Hoffnungsschimmer für die Unternehmen. Für eine Entwarnung ist es aber noch zu früh", äußerte DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben. "Wenn der erfreuliche Abwärtstrend bei der Inflationsrate anhält, sollte dann auch eine Lockerung der Geldpolitik möglich sein. Das wäre besonders für Betriebe im Baugewerbe, die erheblich unter den hohen Bauzinsen leiden, und für alle Unternehmen, die investieren wollen, eine gute Nachricht."
Neue Prognosen: Inflation geht schneller zurück
Für das laufende Jahr rechnet die EZB nun mit einer Teuerungsrate von 2,3 Prozent. In ihrer im Dezember vorgelegten Prognose war die Notenbank noch von 2,7 Prozent ausgegangen. 2025 wird eine Rate von 2,0 (Dezember-Prognose: 2,1) Prozent erwartet.
Für Zinssenkungen spricht auch, dass sich die Aussichten für die Wirtschaft im Euroraum verschlechtert haben. Die EZB erwartet nur noch 0,6 Prozent Wachstum in diesem Jahr, im Dezember waren noch 0,8 Prozent vorhergesagt worden. In den Jahren 2025 (1,5 Prozent) und 2026 (1,6 Prozent) dürfte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) wieder kräftiger zulegen.
Sparzinsen bereits wieder gesunken
Viele Geldhäuser haben die Aussicht auf sinkende Leitzinsen in ihren Festgeldangeboten bereits eingepreist. Bundesweit verfügbare Festgeldanlagen mit zwei Jahren Laufzeit bringen einer Verivox-Analyse zufolge im Schnitt aktuell 2,91 Prozent, Anfang Dezember waren es 3,36 Prozent. Auf dem Tagesgeldkonto zahlt gut ein Fünftel (21 Prozent) von 758 Banken und Sparkassen in Deutschland, deren Konditionen das Vergleichsportal ausgewertet hat, entweder gar keine (57 Institute) oder lediglich geringe Zinsen von 0,01 Prozent bis 0,25 Prozent (102 Institute).
Wer 10.000 Euro bei bundesweit aktiven Banken aufs Tagesgeldkonto legt, erhält dafür den Berechnungen zufolge im Schnitt aktuell 1,75 Prozent Zinsen. Sparkassen und Volksbanken zahlen durchschnittlich jeweils 0,62 Prozent. "Natürlich können regionale Kreditinstitute mit einem teuren Filialnetz nicht die höchsten Zinsen im gesamten Markt anbieten", ordnete Verivox-Geschäftsführer Oliver Maier, ein. "Doch dass in der aktuellen historischen Hochzinsphase bei der großen Mehrheit der Volksbanken und Sparkassen nicht einmal ein Prozent drin sind, ist aus Sicht der Sparer nur noch schwer verständlich."