Unternehmensumfrage Zulieferindustrie blickt pessimistisch in die Zukunft

Rico Chmelik, Geschäftsführer des Zuliefererverbandes Automotive Thüringen. Foto: at

Erst Corona und gestörte Lieferketten, dann steigende Materialpreise und sinkende Nachfrage und nun auch noch Ukraine-Krieg und Energiekrise: In der Thüringer Zulieferindustrie wächst der Anteil derer, die von einer längerfristigen Wirtschaftskrise ausgehen, geht aus einer aktuellen Umfrage hervor.

 
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In der Thüringer Zulieferindustrie macht sich ein Stimmungsumschwung bemerkbar. Zu diesem Ergebnis kommt Rico Chmelik, Geschäftsführer des Branchenverbandes Automotive Thüringen (at) nach Auswertung der jüngsten Unternehmerbefragung, deren Ergebnisse Chmelik am Freitag in Steinbach-Hallenberg präsentierte. Im Vergleich zur Befragung im Herbst des Vorjahres hätten sich vor allem die Wachstumserwartungen und die Investitionsbereitschaft deutlich eingetrübt. Zudem gingen immer mehr Unternehmen davon aus, dass die aktuelle Krise über einen längeren Zeitraum andauern werden, so Chmelik.

Gaben vor einem Jahr noch 47 Prozent der befragten Unternehmen an, dass sie am Standort Thüringen mittelfristig wieder ein Wachstum erwarten, so taten dies in der aktuellen Befragung nur noch 24 Prozent. Vor einem Jahren hatten noch 76 Prozent der Befragten erklärt, sie wollten mittelfristig am Standort Thüringen investieren. Dieser Wert ist auf 56 Prozent abgestürzt. Zudem scheinen immer mehr Unternehmer davon auszugehen, dass sich die aktuellen Probleme verfestigen könnten. Vor einem Jahr hatten noch 51 Prozent erklärt, dass sie davon ausgehen, dass die aktuellen Probleme ihrer eigenen Branche und der deutschen Wirtschaft in den kommenden sechs bis zwölf Monaten überwunden sind. Davon gehen inzwischen nur noch 27 Prozent aus.

„In einer Zeit des Wandels ist eines konstant geblieben: externe Risiken, bedrohliche Kostensteigerungen und eine sich weiter verschärfende mangelnde Personalverfügbarkeit. Dies bremst nicht nur künftiges Wachstum, sondern erschwert massiv auch eine Rückkehr zu früheren Volumina“, erklärte Chmelik. Zwar blieben die Angaben zu Umsatz und Personalentwicklung noch vergleichsweise konstant, doch der Blick in die Zukunft trübte sich eben deutlich ein.

„Im Ranking der Herausforderungen für die Unternehmen ist die Bedeutung hoher Energie- und Materialpreise dramatisch nach oben geschnellt und wird als Herausforderung noch höher bewertet als die mangelnde Personalverfügbarkeit“, erklärte Chmelik. 76 Prozent der befragten Unternehmer gaben an, dass die hohen Energie- und Materialpreise aktuell die größte Herausforderung seien. Vor allem bei der Energie brächten die Unternehmen Planungssicherheit. Hier müsse die Politik wieder verlässliche Rahmenbedingungen schaffen, so Chmelik. Das Problem vieler Unternehmen sei gar nicht so sehr die Auftragslage, sondern die Unsicherheit, wann diese Aufträge abgerufen werden. „Wenn ein Unternehmen früher wusste, dass es im März 20 000 Einheiten eines bestimmten Bauteils fertigen muss, dann konnte es auch seinen Energieeinkauf entsprechend planen, doch viele Unternehmen wissen aktuell einfach nicht, welche Stückzahlen wann abgerufen werden“, berichtete Chmelik. Das verteuere den Energieeinkauf zusätzlich zu den ohnehin schon hohen Preisen.

In der Praxis führen diese dazu, „dass von unserer Arbeit praktische nicht mehr übrig bleibt“, wie Torsten Herrmann, geschäftsführender Gesellschaft der Hehnke GmbH in Steinbach Hallenberg berichtete. Als Beispiel nannte er den August des laufenden Jahres. „Da war unsere Auftragslage eigentlich gut, doch wir mussten den Strom in der Spitze für 64 Cent je Kilowattstunde einkaufen, sodass wir trotz guter Auftragslage ein Minus verbuchen mussten“, sagte Herrmann. Hehnke ist auf Spritzgussteile aus Kunststoff spezialisiert, verbindet diese vor allem mit elektronische Komponenten. Seit Jahren befasst sich das Unternehmen mit Energieeinsparung, Energiemanagement, Automatisierung und Digitalisierung, doch all das reiche nicht aus, um die aktuellen Steigerungen abzufedern.

Hinzu käme die Unsicherheit über die Weiterentwicklung der Automobilindustrie. „E-Mobilität macht bei uns inzwischen 30 Prozent des Umsatzes aus, trotzdem gibt uns das keine Sicherheit für die Zukunft, denn der Markt der E-Mobilität stagniert aktuelle mehr als dass er wächst“, erklärte Herrmann. Nach seinem Eindruck werde von der Politik in Berlin seit Jahren zwar viel versprochen, doch auf dem Weg in die Praxis, zu den Unternehmen, bleibe von den Versprechungen wenig übrig. Als Beispiel nannte er das Energiekostendämpfungsgesetz der Bundesregierung. „Da haben wir im Sommer einen Antrag gestellt, doch bis jetzt haben wir noch nichts von der Behörde gehört“, so Herrmann. Und so verfestige sich bei ihm der Eindruck, dass die Bürokratie sich in vielen Bereichen selbst im Weg stehe.

Immerhin scheint die Mehrzahl der Thüringer Zulieferbetriebe dem Freistaat die Treue halten zu wollen. 25 Prozent der Befragten in der Umfrage des at gaben an, dass Investitionen im Ausland aufgrund der aktuellen Situation in Deutschland für sie ein Thema seien. Laut Chmelik treffe das vor allem auf größere Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten zu. Die IHK Südthüringen hatte erst vor wenigen Tagen vor einer Abwanderungswelle der Industrie in die USA gewarnt, wo die Politik aktuell mit massiven Förderprogrammen Investoren anlocke.

Der at hat für seine Umfrage 190 Unternehmen befragt, die für mehr als 40 000 Arbeitsplätze in Thüringen stehen. Rund ein Drittel der Befragten hat die Fragen auch Beantwortet. Das seien etwas weniger Rückläufer als in der Vergangenheit, so Chmelik. Ein Indiz dafür, dass die Führungskräfte in den Unternehmen aktuell hoch ausgelastet damit seien, die täglichen Herausforderungen zu meistern.

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