Überschwemmung in Brasilien Land unter in Rio Grande do Sul

Tobias Käufer
Ein Soldat betrachtet vom Helikopter aus das überflutete Fußballstadion von Porto Alegre. Foto: AFP/Carlos Fabal

Mehr als 100 Tote, Millionen betroffene Menschen in Brasilien: Die Überschwemmungen erschüttern das größte lateinamerikanische Land. Für Präsident Lula da Silva wird die Naturkatastrophe zur Herausforderung.

 
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Sogar das Fußballstadion steht unter Wasser: Das Bild des unter dem braunen Wasser versunkenen Rasens in Porto Alegre gilt inzwischen als das Symbol für die wohl größte Naturkatastrophe, die Brasilien seit Jahren erlebt hat. Drohnenaufnahmen zeigen in den Fluten treibende ertrunkene Rinder. Der internationale Flughafen von Porto Alegre – eine Drehschreibe des Personen- und Frachtverkehrs für Flüge nach Argentinien oder Uruguay sowie in die Metropolen Brasiliens – ist ebenfalls unter den braunen Fluten verschwunden.

Ob die Start- und Landebahnen diese Wassermassen unbeschadet überstehen, weiß niemand. Aus Angst vor Plünderungen verlassen viele Menschen ihre Häuser und Wohnungen nicht und könnten von der nächsten Flut überrascht werden. 113 Menschen kamen infolge des Unwetters bisher ums Leben, wie der örtliche Zivilschutz am Donnerstag mitteilte.

Das Schlimmste könnte noch bevorstehen

Der brasilianische Wetterdienst hat bis Sonntag weitere verheerende Stürme und Regenfälle vorhergesagt. Das Schlimmste könnte also noch bevorstehen. „Die Auswirkungen der Überschwemmungen und das Ausmaß der Tragödie sind verheerend“, schrieb der Gouverneur von Rio Grande do Sul, Eduardo Leite, auf der Onlineplattform X. Seine Regierung gehe davon aus, dass für den Wiederaufbau mindestens 19 Milliarden Reais (3,4 Milliarden Euro) benötigt werden. Staatspräsident Luiz Inácio Lula da Silva sagte der Region ein Hilfspaket in Milliardenhöhe zu. Papst Franziskus sagte als Soforthilfe umgerechnet 100 000 Euro für die Opfer der Überschwemmungen zu.

Nach Angaben des Zivilschutzes wurden knapp 760 Menschen verletzt und rund 150 weitere vermisst. Von dem Hochwasser seien mehr als 1,7 Millionen Menschen in 431 Ortschaften der Region betroffen. Über 395 000 Menschen hätten ihre Häuser verlassen und bei Angehörigen oder in Notunterkünften Schutz gesucht.

Nun muss Lula sein Versprechen halten

In Porto Alegres Nachbarstadt Canoas berichtet die Stadtverwaltung, dass die Lebensmittel nicht mehr ausreichen, um die Bevölkerung zu versorgen. „Die Stadt ist zerstört worden. Von den 27 Gesundheitszentren haben wir 19 verloren“, sagte Bürgermeister Jairo Jorge und bat im Fernsehen um Hilfe. Im Kampf gegen die Fluten waren zahlreiche Feuerwehrleute und Katastrophenschützer im Einsatz. In Canoas retteten sie am Donnerstag ein Pferd, das auf dem Dach eines Hauses gestrandet war. Das Tier wurde betäubt und in einem Schlauchboot an Land gebracht, wie im Fernsehen zu sehen war.

Für Präsident Lula da Silva ist die Naturkatastrophe auch eine politische Herausforderung. Im vergleichsweisen wohlhabenden Süden des Landes ist er deutlich unpopulärer als im armen bevölkerungsreichen Nordosten. Nun muss Lula sein Versprechen halten, die Bundesregierung aus Brasilia werde die Menschen nicht im Stich lassen. Der deutlich jüngere Gouverneur Eduardo Leite gilt dagegen als einer der aufstrebenden Stars am brasilianischen Politikhimmel.

Brasilien leidet unter extremen Witterungsbedingungen

„Das Ausmaß dieser Katastrophe ist so groß, dass es bisher nicht möglich war, einen ‚Kommandanten‘, eine ‚zentrale‘ Instanz zu schaffen, die in der Lage ist, die Lage zu beurteilen, zu koordinieren und zu lenken“, kommentierte die Zeitung „Estadão“ aus São Paulo und prognostizierte: „Für den mit sinkender Popularität kämpfenden Lula ist diese Katastrophe ein Charaktertest.“

Brasilien litt zuletzt immer wieder unter extremen Witterungsbedingungen. Ende vergangenen Jahres beispielsweise ächzte das eigentlich feuchte Amazonasgebiet unter einer Jahrhundertdürre und extremer Hitze. Die Pegelstände vieler Flüsse sanken dramatisch, viele Tiere verendeten. Extreme Wetterereignisse wie die Überschwemmungen im Süden von Brasilien kommen zwar von Natur aus immer mal wieder vor. Nach Einschätzung von Wissenschaftlern erhöht sich durch den Klimawandel allerdings sowohl die Häufigkeit als auch die Intensität.

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