Thüringer helfen Lebenshilfe für die Lebenshilfe

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Ein Treppenlift eröffnet Behinderten ganz neue Welten - wenn sie sich ihn leisten können. In Schmalkalden machten selbstlose Spender und eine großzügige Firma das Unmögliche nun möglich.

 
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Schmalkalden/Ilmenau - Renate Eick kann es noch immer nicht glauben: Mit großen Augen schaut sie auf ihre Tochter, die im Treppenlift nach oben fährt. Den hat Markus Lips gerade eben fertig montiert. Und ihn dem Verein Lebenshilfe geschenkt.

13 Stufen überwinden, das ist für die meisten Menschen kein Problem. Für einige Behinderte schon. Für sie und ihre Betreuer ist die Treppe mit 13 Stufen im neuen Domizil des Elternvereins Lebenshilfe in Mittelschmalkalden ein Kraftakt. Erleichtern würde sich der erheblich, gäbe es einen Treppenlift. Doch Renate Eick, Vorsitzende des Vereins, ist schockiert, als sie den Kostenvoranschlag in der Hand hält: "4000 Euro, das können wir nicht erarbeiten."

Mit der Bitte um Unterstützung wendet sie sich an das Hilfswerk von Freies Wort und Südthüringer Zeitung , den Verein "Freies Wort hilft - Miteinander Füreinander". Ihr Anliegen, das am 13. Juni in der Zeitung veröffentlicht wird, liest Sandra Lips auf der Homepage www.insuedthueringen.de. Die 30-Jährige und ihr Mann Markus haben in Geraberg und Ilmenau die Firma "Lift Support". "Support" wie Unterstützung. Diese wollten sie gerne dem Verein geben, sagt Sandra Lips, als sie sich in der Redaktion meldet. Wahrscheinlich, so kündigt sie schon beim ersten Gespräch an, werde die Firma den Treppenlift dem Verein spenden.

Ein paar Tage später kommen Sandra und Markus Lips nach Mittelschmalkalden, um sich die Örtlichkeiten anzuschauen. "Die Treppe ist gerade und breit genug. Das wird eine klassische, einfache Montage. Lediglich ein Stromanschluss muss noch vorbereitet werden", lautet die erste Einschätzung des Treppenlifttechnikers Markus Lips. Seine Frau erklärt, dass sie viel in Thüringen unterwegs sind, aber auch im Büro öfter bei Kundengesprächen merken, dass gerade ältere Menschen nicht das Geld für einen Lift haben. "Es ist traurig, dass sich einige den Einbau nicht leisten können. Wir beraten dann, weil es möglich ist, von der Krankenkasse einen Zuschuss zu bekommen, wenn man eine Pflegestufe hat", berichtet die Betriebswirtin. Zum anderen hatten sich die beiden vorgenommen, einmal im Jahr eine gute Tat zu vollbringen und einen Treppenlift zu sponsern. Da kam der Bericht in der Zeitung gerade recht.

Der Vater von Markus Lips hatte bereits Treppenlifte verkauft. Er selbst stieg vor vier Jahren ein. Der Metall- Industriemeister weiß, dass es viele Anbieter gibt, die nur verkaufen und dann wieder weg sind. Das wollte er ändern. "Wir reparieren auch, übernehmen die Wartung und bieten Ersatzteile an."

Das ist auch für Renate Eick wichtig. Sie hatte jüngst mehrere windige Vertreter am Telefon, einer kam, machte ein Angebot und wollte der 72-Jährigen dann weismachen, sie habe einen Vorvertrag unterschrieben. "Plötzlich standen hier mehrere junge Leute auf dem Hof und wollten den Lift einbauen", schildert sie die unangenehme Situation. Sie schickte sie wieder weg, hatte sie doch gar nicht das Geld zusammen.

Dazu kam, dass Renate Eick erst mal mit der Vermieterin Carmen Artus sprechen musste. Sie sitzt selbst im Vorstand des Elternvereins und hatte die Räume in Mittelschmalkalden zur Verfügung gestellt, nachdem die Miete im alten Haus auf mehr als das Doppelte erhöht worden war.

Als das Ehepaar Lips an diesem Tag die Örtlichkeiten anschaut, ist auch Carmen Artus dabei und gibt ihren Segen zur Installation. Der Termin zum Einbau wird für eine Woche später vereinbart. Drei Stunden dauert es, die Schiene auf Länge zu bringen, sie festzuschrauben, den Sitz aufzustecken und den Motor aufzufahren.

Dann gibt Markus Lips Renate Eick die Fernbedienung in die Hand, und nach einer Probefahrt des Monteurs nebst kurzer Einweisung geht's los. Renates Tochter Claudia darf als erste; die anderen Behinderten sind noch in der Werkstatt in Trusetal, kommen erst am Nachmittag.

Kinderleicht ist die Bedienung. "Wenn wir das zwei-, dreimal gemacht haben, klappt das ganz bestimmt", ist Renate Eick zuversichtlich. Mit dem Treppenlift sei es nun viel einfacher, die momentan acht zu betreuenden behinderten Menschen und auch deren zum Teil gehbehinderte Angehörige ins Obergeschoss zu bringen. Nun könnten viel mehr der 46 Vereinsmitglieder am Clubleben teilhaben als bisher, freut sie sich. Da auch der Garten am Haus mit benutzt werden kann, müssen die Menschen manchmal mehrfach am Tag die Treppe bewältigen.

Sandra und Markus Lips freuen sich mit, als Claudia Eick im Treppenlift zum ersten Mal nach unten fährt. "Du kannst uns vertrauen", sagt ihre Mutter leise zu ihr, denn noch setzt sich die behinderte Frau etwas unsicher auf den Sitz der Firma "Handicare" und schaut sich suchend um. Überglücklich sei sie, sagt Renate Eick, und man glaubt es ihr sofort. Auch deshalb, weil Lift Support den Treppenlift komplett spendete, also keine Kosten für den Einbau entstehen. Lediglich die jährliche Wartung muss bezahlt werden. Hierfür wird Renate Eick das Geld, das sie bereits für den Treppenlift sammelte, zurücklegen. Und auch die 1000 Euro, die beim Spendenaufruf von "Freies Wort hilft" zusammenkamen, kommen dem sicheren laufenden Betrieb des Liftes zugute.

Vor 40 Jahren, als Renate Eick und die anderen Eltern die Lebenshilfe gründeten, waren die meisten Kinder zwischen drei und sieben, die ältesten 18. Eick ist auch Mitbegründerin der "Tagesstätte für schulbildungsunfähige, aber förderungsfähige Kinder und Jugendliche", die vor 40 Jahren in Schmalkalden gebildet wurde und aus der die Pestalozzi-Schule hervorging, das regionale Förderzentrum mit Schwerpunkt geistige Einwicklung.

Nun sind die Kinder von damals erwachsen, manche brauchen aber noch genauso viel Unterstützung wie Kleinkinder. Heute sind sie allerdings viel schwerer, und für die Betreuer ist es oft mit erheblichen Anstrengungen verbunden, sie von einem Ort zum anderen, auf die Toilette oder ins Bett zu transportieren. Die Treppe aber war eines der größten Hindernisse. Diese Barriere gehört nun der Vergangenheit an. Dank Thüringern, die anderen Thüringen ganz praktisch und unkompliziert halfen.

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