Thüringer helfen Der Weg ist das Ziel

Von Klaus-Ulrich Hubert

Vor 30 Jahren inspirierte den Großbreitenbacher Heinz Liebermann ein Geschichtsbuch zu Initiativen, die eine Besonderheit des Schwarzatals prägen: Die Olitätenwege im Thüringer Kräutergarten.

 
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Großbreitenbach - Ob bei den Thüringen-Tagen, der Grünen Woche in Berlin, Bundesgartenschauen, dem Weimarer Zwiebelmarkt, auf der Internationalen Saarmesse, den Europatreffen der Breitenbachs oder Volksfesten: Den etwas stämmigen und stets ein wenig gebeugt gehenden Freizeit-Buckelapotheker in historischer Tracht des 18. Jahrhunderts kennt man keinesfalls nur als "Darsteller".

Heinz Liebermann, 59-jähriger Mitarbeiter der Verwaltungsgemeinschaft Großbreitenbach, ist in seinen Ehrenämtern profunder Kenner all dessen, was mit der Historie der Verarbeitung einheimischer Kräuter sowie dem Vertrieb dieser Kräuterprodukte zu tun hat.

Mein lieber Mann !

Während er sein Historienkostüm samt hölzernem Reff sorgsam pflegt, erläutert er, was es mit dem Begriff der Buckelapotheker auf sich hat: "Die zogen seit dem 17. Jahrhundert zu Fuß los. Mit ihren anfangs zentnerschwer gefüllten Traggerüsten, den Reffs, auf dem Buckel." Liebermann geht darin auf, wenn er erläutert wie man einst auf dem Buckel die kleinen Apotheken voller Tinkturen-Fläschchen und Salben zu Kunden schleppten. "Von Thüringens Bergen aus durch ganz Deutschland und Mitteleuropa - bis an die Nordsee, bis Holland, nach Polen, Österreich oder auch in die Schweiz."

Gegen seinen Enthusiasmus scheint kein Kraut gewachsen. Gut so, denn mit weiteren Mitstreitern hat er sich tief in die Olitäten- und Buckelapotheker-Geschichte eingearbeitet, lernte sogar noch letzte Zeitzeugen kennen: Wie gesundheitsfördernd Olitäten waren, belegte ihm dabei Hermann Sommer aus dem nahen Herschdorf. Einer der letzten Buckelapotheker, den Liebermann noch persönlich kannte: "Der wurde fröhlich bei guter Gesundheit genau 100 Jahre."

Während Liebermann sein Wissen als Allgemeingut weiter reicht, betont er sehr dankbar: "Mein Interesse wurde durch den 1896 geborenen, lange in Schwarzburg lebenden Schriftsteller Otto Ludwig geweckt." Dessen populärwissenschaftliches Buch "Im Thüringer Kräutergarten: Von Heilkräutern, Hexen und Buckelapothekern" hatte es Liebermann angetan.

Im Jahr 1990 verstorben, fand der Chronist thüringischen Olitäten-Wesens zuvor die Gewissheit, in Liebermann einen Jünger seines Anliegens gefunden zu haben, die Olitäten-Geschichte "nicht verschütt gehen zu lassen."

Ein Jünger mit Ideen bei steter Verbündetensuche. Seit Gründung eines Fördervereins vor 19 Jahren gab es ein Gremium, das sich in vielen Aktivitäten kreisübergreifend des Themas annahm. Liebermann schmunzelt: "Aber zunächst auch sehr volkstümlich, so wie einst die Heilkräuterverarbeitung selber."

Der Großbreitenbacher war viele Jahre auch Stadtratsmitglied. Wer ihn da in seinem unnachgiebigen Engagement kannte, hatte schon mal ein halblautes "Mein Lie-ber-mann!" auf der Zunge. Nicht ohne Hochachtung davor, wie er zielstrebig drauf los arbeitete, um seine eng beschriebenen Konzeptions-Seiten nicht in Schubladen vergilben zu lassen.

Wie bei der Gestaltung des "Bräetmicher Kram- und Kräutermarktes" mit der Stadt. Oder in Kooperation mit Kommunen entlang der ursprünglich vorgesehenen Olitätenstraße - des späteren Olitätenrundwanderweges.

Der Weg also das Ziel? - Liebermann: "Nicht das einzige, obgleich es die Koordinierung, die Festlegung der 177 Kilometer gut ausgeschilderter Strecke über reizvolle Wald- und Wiesenwege in sich hatte."

Der 2005 eröffnete Weg führt heute nicht nur auf die Spuren der einstigen Buckelapotheker. Er ist die thematische Klammer, verbindet viele Orte der Kräutergartenregion und deren Sehenswürdigkeiten, die mit der Olitäten-Tradition zu tun haben. Bald soll er Veränderungen erfahren. Das Schwarzatal will Qualitätswanderregion werden, in der Wegeführung die Anbindung kleinerer Rundwanderwege sowie das Anlegen von Verbindungswegen zwischen diesen schaffen.

Blaues Dreieck

Jahrzehnte suchte und fand Liebermann mit seinem Förderverein aktive Mitstreiter. Dessen winziger Amtssitz: Großbreitenbach, Mylius-Straße Nr. 7. Eine Reminiszenz an den berühmten Olitäten-Laboranten, Apotheker und Bürgermeister Mathias Müller "Mylius" (1634-1678). Von hier aus grast Liebermann immer wieder Archive und andere Quellen ab, trieb und treibt gemeinsame touristische Interessen der Kräutergarten-Region voran. Und empfängt Besucher der Bibliothek "Kräuter & Olitäten", die sich in der Alten Apotheke befindet. Oder freut sich über Interessierte bei Vorträgen und geführten Exkursionen in Heilkräuter und Historie. So half und hilft er mit seiner Besessenheit, dass aus all dem ein Alleinstellungsmerkmal, ein rechtlich geschütztes Markenzeichen des Regionalmarketings wurde.

Über Berg und Tal durch die Kräutergarten-Region weist das stilisierte Zeichen eines blauen Dreiecks auf hunderten Wegweisern, wo es lang geht: Für Wanderer, Naturliebhaber, Kräuterkenner, Heimatfreunde und Gesundheitsbewusste. Denn beiderseits des Weges laden liebevoll angelegte Kräutergärten, Museen mit Bezügen zum Olitätengewerbe ein, erwarten Kräuterseminare und -wanderungen, Volksfeste und vieles mehr ihre Gäste.

Speziell in Liebermanns Heimatstadt Großbreitenbach (mundartig: Bräetmich) wurde eine "Idee zur materiellen Gewalt", als 1990 der 1. Bräetmicher Kram- und Kräutermarkt öffnete. Inzwischen avancierte der zu einem riesigen, immer besser besuchten, nicht nur thematischen Volksfest. Und kürt alljährlich feierlich die "Thüringer Olitätenmajestät" für ihr Olitätenwissen, führt Kräuterkundige und -interessierte beim "Thüringer Kräuter- und Olitätenkongress" jeweils vor dem Markttag zusammen.

Aus tiefer Heimatliebe

Ergebnis der einst fleißig-stillen Traditionspflege seit den 1980-er Jahren maßgeblich durch Einzelkämpfer wie Liebermann? - "Aber bitteschön vor allem meine langjährige Stellvertreterin Elvira Liebmann-Grudzielski nicht vergessen", sagt der Großbreitenbacher und richtet sich mit Nachdruck auf. Seit Gründung 1994 Vorsitzender des Fördervereins mit dem langen Namen "Olitätenwege im Thüringer Kräutergarten" verweist er auch auf seinen jetzigen Stellvertreter, den 1. Thüringer Olitätenkönig Siegward Franke vom Kräuter- und Olitätenmuseum in Schmiedefeld: "Der bringt sich seit vielen Jahren engagiert ein."

Heimische Kräuter und daraus gefertigte Olitäten haben Liebermanns Vorfahren zwischen Langem Berg und Mittellauf der Schwarza seit dem 17. Jahrhundert eine ganze Reihe neuer, bescheidener Erwerbsmöglichkeiten in der schwer erreichbaren Bergregion eröffnet. "Aus winzigen Wald-Laboratorien über Familienbetriebe wurde das alles bis ins 19. Jahrhundert zum florierenden Gewerbe", weiß Heinz Liebermann.

Zeit zum Genießen

Aus tiefer Heimatliebe und mit Stolz wird er Mitbürgern und teilweise weit gereisten Gästen weiter den besonderen Charme der Region lebendig vermitteln. Und hofft auf etwas mehr freie Zeit, sie - einfach mal wieder nur so - genießen zu können. Vom Thüringer-Wald-Kreativ- Museum seiner Stadt über die Höhen und Bergwiesen am Langen Berg bis hinüber nach Bad Blankenburg, Königsee, Oberweißbach, Cursdorf, Oberhain, Schwarzburg, Watzdorf, Groß- und Kleingölitz, Saalfeld, Lichte, Schmiedefeld oder Reichmannsdorf. In Wanderschuhen, wetterfester Kleidung - ohne Buckelapothheker-Kostümierung.

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