Thüringer Genuss Verschont von der internationalen Senf-Krise

Hier werden bei Born-Senf in Ichtershausen (Ilm-Kreis) Online-Lieferungen zusammengestellt. Foto: Martin Schutt/dpa

Nach dem Run auf Sonnen­blumenöl und Mehl könnte schon bald der nächste Kandidat auf der Liste der heiß begehrten Produkte stehen. Senfhersteller klagen über Versorgungsengpässe bei importierten Saaten. Thüringer können aber wohl aufatmen.

 
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Nimmt der Krieg in der Ukraine den Deutschen nun auch noch den Senf von der Wurst? Die Nachrichten vom Weltmarkt für Senfsaaten sind jedenfalls nicht gerade beruhigend: Zwei der wichtigsten Lieferanten für Senfsaat sind nach Angaben des Lebensmittelverbandes Kulinaria nämlich Russland und die Ukraine. Sollten die Lieferungen infolge des Krieges im Jahresverlauf ausbleiben, könnte es in der zweiten Jahreshälfte und im kommenden Jahr zu Schwierigkeiten für Senfhersteller kommen.

Nahrung ist wichtiger

„In welchem Rahmen die Verknappung stattfinden wird, ist aktuell noch nicht genau abzuschätzen. Die Aussaat für Senf müsste normalerweise in den kommenden zwei Wochen stattfinden“, sagte Kulinaria-Geschäftsführer Markus Weck. Doch in der Ukraine habe man derzeit wohl andere Sorgen als den Anbau von Lebensmitteln für den Export.

Ein anderer wichtiger Lieferant für Senfsaat ist Kanada. Aber dort gab es im vergangenen Jahr wegen einer Dürre eine Missernte und nur die Hälfte der sonst üblichen Ernte. Diese Knappheit werde zwar nicht gänzlich dazu führen, dass wir keinen Senf mehr auf die Wurst geben können, aber die gelbe Würzpaste werde wahrscheinlich teurer werden wie so viele andere Produkte auch, heißt es vom Branchenverband.

Anbau in Deutschland

Fein raus aus der internationalen Senf-Krise dürften allerdings die Thüringer sein, die für ihre Bratwurst nur auf den einheimischen Senf zählen. „Sie wissen schon, dass die Senfsaat für unseren Klassiker – den Mittelscharfen – zu 100 Prozent von Thüringer Feldern kommt?“, sagt Marketingmanager Tobias Stahl von Born-Senf in Erfurt auf die Frage unserer Redaktion nach dem Umgang des Thüringer Traditionsherstellers mit dem weltweiten Rohstoffproblem. Born ist einer der ältesten deutschen Senfhersteller und für das Land Thüringen noch immer ein Aushängeschild – das ohnehin im gleichen Atemzug mit der Nationalspeise, der Bratwurst, genannt wird. Und wo auch Ketchup auf der Wurst als ein Verbrechen gilt.

Entscheidend für die Senfherstellung sind zwei Sorten von Senfsaaten, schwarzer und weißer Senf. Der schwarze Senf ist schärfer und vor allem im grob gemahlenen Senf enthalten. In Deutschland kommt häufiger aber der weiße Senf zum Einsatz, der fein gemahlen wird und nicht so scharf ist. Weiße Senfkörner werden auch bei der Wurstherstellung und beim Einlegen von Gemüse (zum Beispiel Senfgurken) eingesetzt. Beim Mahlen der Saat werden die enthaltenen Öle freigesetzt. Sie sind es auch, die dem Senf seine Schärfe geben.

800 Gramm pro Kopf

Der Verbrauch an Speisesenf geht hierzulande allerdings seit Jahren zurück. Laut Verband Kulinaria lag der Pro-Kopf-Konsum in Deutschland 2010 noch bei rund 1,18 Kilogramm. 2020 waren es nur noch 805 Gramm Senf. Etwa 20 Betriebe mit 20 und mehr Beschäftigten produzieren in Deutschland den Angaben zufolge Senf – 2020 seien das rund 81 000 Tonnen, fast neun Prozent weniger als im Jahr davor. Am Gesamtmarkt „Feinkostsoßen“ machte Senf fast elf Prozent aus, je mehr als 30 Prozent der Produktionsmenge entfielen auf Tomatenketchup und Tomatensoßen sowie auf Mayonnaise.

Fast 52 Prozent der Senfkörner-Importe kamen 2020 den Verbandsangaben zufolge aus Russland, 27,6 Prozent aus der Ukraine. Etwas mehr als 10 Prozent der Einfuhren entfielen auf kanadische Lieferanten.

Der bayerische Hersteller Develey, zu dem unter anderem die Marken Löwensenf, Bautz'ner und Reine de Dijon gehören, bezieht seine Senfsaat nach eigenen Angaben unter anderem aus der Ukraine, Kanada und Deutschland. „Aufgrund der Missernte in Kanada 2021 war der Weltmarkt für Senfsaat bereits sehr angespannt“, teilte das Unternehmen mit. Stillstand in der Produktion der Würzpaste gebe es derzeit aber nicht, man sei produktionsfähig.

Die Nestlé-Tochter Thomy bezieht Senfsaat nach Angaben einer Sprecherin ausschließlich aus Kanada. Neben der schlechten Ernte gebe es erhebliche Probleme, die Ware von dort nach Europa zu transportieren. „Preiserhöhungen sind derzeit über nahezu alle Kategorien zu erwarten, so auch bei Senf“, sagte sie.

Doppelter Preis möglich

Auf Senf verzichten müssen Fans künftig nicht, aber wohl mehr dafür bezahlen. „Der Senf wird uns nicht ausgehen“, sagte Verbandsmanager Weck. Wegen der Saat-Knappheit seien die Preise deutlich gestiegen, hieß es von Develey. „Mit der zu erwartenden deutlich geringeren Ernte im zweiten Halbjahr ist davon auszugehen, dass sich die Lage nochmals deutlich verschärft“, sagte eine Sprecherin.

Die Luise Händlmaier GmbH informiert nach eigenen Angaben schon jetzt Handelspartner, dass Senf doppelt so teuer wie bisher werden könnte. Grund sei die Kostenexplosion bei Rohwaren, sagte Geschäftsführer Franz Wunderlich. „Und das wird sicher nur der Anfang sein.“ Die aktuelle Rohstoffkrise werde die Preise und knappe Warenverfügbarkeit noch die nächsten zwei Jahre aufgrund geringerer Ernteerträge beeinflussen. Weitere Preissteigerungen seien wohl unvermeidbar.

Der Senfhersteller mit Sitz in Regensburg habe bislang zwei Drittel der pro Jahr gekauften 10 000 Tonnen Senfsaat aus Russland oder der Ukraine bezogen. Man habe zwar alles unternommen, um Saaten etwa aus Kanada zu beziehen, sagte Wunderlich. Aber: „Aktuell gibt es auf dem Weltmarkt keine Senfkörner mehr zu kaufen.“ Ab kommender Woche werde Händlmaier deswegen die Senf-Produktion reduzieren. Dadurch könnte der Hersteller bis August lieferfähig bleiben.

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