800 Gramm pro Kopf
Der Verbrauch an Speisesenf geht hierzulande allerdings seit Jahren zurück. Laut Verband Kulinaria lag der Pro-Kopf-Konsum in Deutschland 2010 noch bei rund 1,18 Kilogramm. 2020 waren es nur noch 805 Gramm Senf. Etwa 20 Betriebe mit 20 und mehr Beschäftigten produzieren in Deutschland den Angaben zufolge Senf – 2020 seien das rund 81 000 Tonnen, fast neun Prozent weniger als im Jahr davor. Am Gesamtmarkt „Feinkostsoßen“ machte Senf fast elf Prozent aus, je mehr als 30 Prozent der Produktionsmenge entfielen auf Tomatenketchup und Tomatensoßen sowie auf Mayonnaise.
Fast 52 Prozent der Senfkörner-Importe kamen 2020 den Verbandsangaben zufolge aus Russland, 27,6 Prozent aus der Ukraine. Etwas mehr als 10 Prozent der Einfuhren entfielen auf kanadische Lieferanten.
Der bayerische Hersteller Develey, zu dem unter anderem die Marken Löwensenf, Bautz'ner und Reine de Dijon gehören, bezieht seine Senfsaat nach eigenen Angaben unter anderem aus der Ukraine, Kanada und Deutschland. „Aufgrund der Missernte in Kanada 2021 war der Weltmarkt für Senfsaat bereits sehr angespannt“, teilte das Unternehmen mit. Stillstand in der Produktion der Würzpaste gebe es derzeit aber nicht, man sei produktionsfähig.
Die Nestlé-Tochter Thomy bezieht Senfsaat nach Angaben einer Sprecherin ausschließlich aus Kanada. Neben der schlechten Ernte gebe es erhebliche Probleme, die Ware von dort nach Europa zu transportieren. „Preiserhöhungen sind derzeit über nahezu alle Kategorien zu erwarten, so auch bei Senf“, sagte sie.
Doppelter Preis möglich
Auf Senf verzichten müssen Fans künftig nicht, aber wohl mehr dafür bezahlen. „Der Senf wird uns nicht ausgehen“, sagte Verbandsmanager Weck. Wegen der Saat-Knappheit seien die Preise deutlich gestiegen, hieß es von Develey. „Mit der zu erwartenden deutlich geringeren Ernte im zweiten Halbjahr ist davon auszugehen, dass sich die Lage nochmals deutlich verschärft“, sagte eine Sprecherin.
Die Luise Händlmaier GmbH informiert nach eigenen Angaben schon jetzt Handelspartner, dass Senf doppelt so teuer wie bisher werden könnte. Grund sei die Kostenexplosion bei Rohwaren, sagte Geschäftsführer Franz Wunderlich. „Und das wird sicher nur der Anfang sein.“ Die aktuelle Rohstoffkrise werde die Preise und knappe Warenverfügbarkeit noch die nächsten zwei Jahre aufgrund geringerer Ernteerträge beeinflussen. Weitere Preissteigerungen seien wohl unvermeidbar.
Der Senfhersteller mit Sitz in Regensburg habe bislang zwei Drittel der pro Jahr gekauften 10 000 Tonnen Senfsaat aus Russland oder der Ukraine bezogen. Man habe zwar alles unternommen, um Saaten etwa aus Kanada zu beziehen, sagte Wunderlich. Aber: „Aktuell gibt es auf dem Weltmarkt keine Senfkörner mehr zu kaufen.“ Ab kommender Woche werde Händlmaier deswegen die Senf-Produktion reduzieren. Dadurch könnte der Hersteller bis August lieferfähig bleiben.