Erfurt - Thüringens Polizei will schneller herausfinden, wo es besonders viele politisch motivierte Straftaten im Land gibt. Dazu lägen nun nach Landkreisen und Städten geordnete Statistiken vor, sagte der Dezernatsleiter der Abteilung Staatsschutz im Landeskriminalamt (LKA), Sven Planert, der Deutschen Presse-Agentur. «Diese Daten sind in dieser Form erstmals erhoben worden.»

Demnach gehören die Städte Eisenach, Jena und Weimar sowie der Kreis Hildburghausen zu den Schwerpunkt-Regionen für politische Kriminalität im Freistaat. «In vielen Fällen ist ein Anstieg solcher Zahlen begründbar, zum Beispiel rund um Jena mit Blick auf die Demonstrationen von Thügida und AfD», erklärte Planert.

Im Fall von Hildburghausen vermuten die Ermittler einen Zusammenhang mit rechten Konzerten. In der Stadt habe es im vergangenen Mai eine rechte Musikveranstaltung mit 3500 Teilnehmern gegeben, erläuterte Planert. 114 politisch motivierte Vorfälle sind dort 2016 registriert worden. In Eisenach habe sich seit 2012 die Zahl solcher Delikte verdreifacht - von 36 auf 91 im vorigen Jahr. In der Stadt habe die Thüringer NPD ihren Sitz. «In der Vergangenheit gab es immer wieder Schmierereien. Das könnte Ursache für den Anstieg sein», ordnete Planert ein.

Im Zusammenhang mit der Asylpolitik der Landes- und Bundesregierung kam es im vergangenen Jahr vor allem in Jena zu großen Demonstrationen mit Tausenden Teilnehmern. Dort wurden im Vorjahr 232 politisch motivierte Delikte und in Weimar weitere 166 registriert. Das Landeskriminalamt (LKA) bezeichnet diese Regionen als Schwerpunkte politisch motivierter Kriminalität, weil es dort gemessen an der Einwohnerzahl besonders viele Vorfälle gab.

Der Kreis Saalfeld-Rudolstadt habe dagegen einen Rückgang innerhalb eines Jahres von 231 auf 145 Fälle im Vorjahr zu verzeichnen gehabt, sagte Planert. In Thüringens größter Stadt Erfurt sei die Zahl solcher Straftaten mit 327 nahezu gleich geblieben. «Wir haben in Erfurt viele Schulen, die sensibilisiert sind. Da ist das Anzeigenverhalten ein ganz anderes als auf dem Land», erklärte der Dezernatsleiter.

Nach seinen Angaben gibt es in den Kreisen im Durchschnitt jeweils 35 bis 145 Straftaten pro Jahr. «Auf einen Landkreis bezogen, sind es nicht viele Delikte. Sie müssen in Relation zur Größe eines Landkreises und der Einwohnerzahl gesehen werden», ordnete er ein. Die Zahlen selbst gäben aber noch keine Antwort darauf, was der Grund sein könnte. «Sie beunruhigen auch noch nicht, sondern sagen: schaut mal genauer hin.» Nun erfolge die Analyse, ob es mehr rechte oder linke Straftaten geworden seien, sagte der Ermittler.

«Für uns war es wichtig zu wissen, wo entwickelt sich politisch motivierte Kriminalität.» Auf Grundlage dieser Zahlen und der Analyse könnten Empfehlungen an die Landespolizei ausgesprochen werden, sagte Planert. «Eine Schlussfolgerung könnte sein, dass Objekte besser bewacht werden oder es mehr Polizeibestreifungen gibt.» Nicht in allen Fällen werde es allerdings möglich sein zu ergründen, weshalb es eine Zunahme von Straftaten gegeben habe.

Nach Angaben von Planert haben die Ermittler bei rechten und linken Straftaten oft Wechselwirkungen festgestellt. «Die ergeben sich etwa, wenn es Versammlungen gab oder Unterkünfte für Flüchtlinge geplant waren oder errichtet wurden.» Das könne dazu führen, dass die politisch motivierte Kriminalität anwachse, erklärte er. So kam es in der Vergangenheit immer wieder vor, dass anlässlich eines rechten Aufmarsches auch Straftaten aus dem linken Spektrum verübt wurden.

Die Gewaltaffinität der rechten Seite sei in Thüringen vorhanden, betonte Planert. «Das sehen wir allein an den Zahlen: Im linken Spektrum gibt es eine rückläufige Tendenz, im rechten einen Anstieg bei den Gewaltdelikten.» 2016 wurden laut der Statistik des Landeskriminalsamts 1570 Straftaten aus dem rechten politischen Spektrum aufgenommen, 442 aus dem linken. Zumeist ging es um Propagandadelikte.

Landesweit waren insgesamt 2301 politisch motivierte Delikte registriert worden und damit mehr als 2015. In diese Zahl sind auch die politische Ausländerkriminalität sowie politische Straftaten eingegangen, die nicht eindeutig zugeordnet werden konnten.

«Die Konfrontation zwischen Rechts und Links ergibt sich in der Regel bei Veranstaltungen», berichtete Planert. «Die rechte Szene verübt meist abseits von Veranstaltungen Gewalttaten.» Die Zahl politisch motivierter Gewaltdelikte war 2016 auf 211 gestiegen (2015: 185). dpa