Jena - Das Thüringer Behandlungszentrum für traumatisierte Flüchtlinge «Refugio» hält die geplante Verschärfung des Asylrechts für falsch. Vor allem eine mögliche Verlängerung des Aufenthalts in den Erstaufnahmeeinrichtungen sei verheerend für Menschen, die durch lebensgefährliche Flucht oder schlimme Kriegserlebnisse ein seelisches Trauma erlitten hätten, sagte Leiterin Anne Tahirovic der Deutschen Presse-Agentur. «Traumatisierte brauchen zuallererst Stabilisierung – was bei einem monatelangen Aufenthalt in Gemeinschaftsunterkünften ohne jegliche Privatsphäre nicht möglich ist.» Dies berge hohes Konfliktpotenzial. Der Bundesrat soll am Dienstag zur geplanten Änderung des Asylrechts beraten.

In Thüringen ist «Refugio» laut Sozialministerium die einzige Anlaufstelle, in der psychisch belastete Flüchtlinge eine Traumatherapie durch professionelle Psychotherapeuten erhalten können. Derzeit betreut die in Jena ansässige Einrichtung rund 175 Menschen aus 23 Ländern. Als traumatisiert gelte nach unterschiedlichen Studien etwa ein Drittel bis die Hälfte der nach Deutschland kommenden Asylsuchenden, sagte Tahirovic. Unter posttraumatischen Belastungsstörungen, Depressionen oder Angststörungen litten vor allem Bootsflüchtlinge, Folteropfer und Opfer sexueller Gewalt.

Am Montag war in einem Asylbewerberheim in Saalfeld ein 29 Jahre alter Mann aus Eritrea bei einem Brand ums Leben gekommen. Die Polizei geht nach den Ermittlungen davon aus, dass er sich das Leben genommen hat. Migrationsminister Dieter Lauinger (Grüne) sprach davon, dass der Eritreer seit längerem unter depressiven Schüben gelitten haben soll.

Tahirovic kritisierte das Fehlen einer einheitlichen Trauma-Diagnostik bei in Thüringen lebenden Flüchtlingen. Teilweise habe das Personal in den Erstaufnahmeeinrichtungen auch kaum Erfahrung in der Arbeit mit traumatisierten Menschen. Zudem seien Land und Kommunen voll beschäftigt mit der Suche nach Unterkünften und der Verteilung der Asylbewerber. «Da ist die Gefahr groß, dass ein Großteil der psychischen Folgeschäden bei Flüchtlingen unentdeckt bleibt.»

«Refugio», das aus Geldern des Landes, des Bundes, der EU und UN-Institutionen finanziert wird, betreut vor allem Flüchtlinge im Raum Jena, Erfurt, Weimar und Gera. Die Flüchtlinge kommen dazu in das Beratungszentrum nach Jena, wo ihnen in den Gesprächen mit den Therapeuten Dolmetscher zur Seite stehen. In Nord- und Südthüringen sei die Versorgung wegen schlechter Zug- und Busverbindungen und langer Anfahrtswege schwierig. dpa