«Wir sind dagegen», sagte am Dienstag Ortsteilbürgermeister Michael Schleicher (parteilos). Der Stadtteil habe 1450 Einwohner. «Wenn da 500 Asylbewerber kommen, ist das ein Ungleichgewicht und der Frieden im Ort gestört.» Nun werden Unterschriften gegen diese Pläne gesammelt. Auch Geras Oberbürgermeisterin Viola Hahn (parteilos) meldete offene Fragen an, die geklärt werden müssten.

Migrationsminister Dieter Lauinger (Grüne) hatte am Montag bekanntgegeben, dass in einem ehemaligen Berufsschulinternat in Gera-Liebschwitz Thüringens nach Eisenberg und Suhl dritte Erstaufnahmeeinrichtung entstehen soll. Die Rede ist von rund 500 Flüchtlingen, die dort schon bald einziehen sollen. Dazu will das Land die Immobilie von privat anmieten.

Die Nutzung der ehemaligen Berufsschule sei «mit beachtlichen Herausforderungen verbunden», betonte Hahn. Unklar sei etwa, wo die Flüchtlingskinder zur Schule gehen, wie die Flüchtlinge versorgt und die medizinische Betreuung sichergestellt werde. Um Antworten auf solche Fragen zu bekommen, ist am Freitagabend eine Informationsveranstaltung mit Minister Lauinger anberaumt. «Sollte die Wahl auf unsere Stadt fallen, ist es für uns eine Selbstverständlichkeit, Menschen in Not gastfreundlich aufzunehmen», versicherte die Oberbürgermeisterin.

«Wir haben nichts dagegen, hier im Ort Flüchtlingsfamilien in leerstehenden Wohnungen unterzubringen», erklärte Ortsteilbürgermeister Schleicher. Aber ein Heim mit 500 Asylbewerbern sei zu groß. Zumal es im Ort weder einen Supermarkt noch eine Grundschule gebe. Auch der Kindergarten sei voll ausgelastet. Sorgen bereite ihm auch, dass es in der Nähe einen sozialen Brennpunkt gebe, an dem immer wieder rechte Gewalt zutage trete. Außerdem sei das Areal im Flächennutzungsplan der Stadt als Gewerbegebiet ausgewiesen. Aus seiner Sicht müsste der Stadtrat über eine Umnutzung abstimmen.

Besonders schlimm sei aber, dass die Landesregierung zuvor alle Anfragen zu einer möglichen Unterbringung von Flüchtlingen in der Immobilie abgewiegelt habe, sagte Schleicher. «Es wird mit dem Hammer über die Köpfe der Bürger wie zu ehemaligen DDR-Zeiten entschieden.» Das sei ein Vertrauensbruch. «So wie es aussieht, werden die Räume schon hergerichtet.»

Der Vorsitzende des Ausschusses für Migration und Justiz im Landtag, Stephan Brandner (AfD), warf Lauinger «obrigkeitsstaatliches Gehabe» vor. «Herr Lauinger stellt die Bevölkerung und auch den Landtag vor vollendete Tatsachen und will erst anschließend informieren», kritisierte der Abgeordnete aus Gera. «Das ist das Gegenteil der von Rot-Rot-Grün ausgerufenen Transparenz und Dialogbereitschaft.»

Der Ortsteilrat von Liebschwitz wollte am Dienstagabend bei einer außerordentlichen Sondersitzung über das weitere Vorgehen beraten. Am Mittwoch will das Ministerium Journalisten die Türen zu der Immobilie öffnen, in der die Flüchtlinge untergebracht werden sollen.