Erfurt - Vor dem Thüringer Landesarbeitsgericht wird mehr und verbitterter gestritten als in den Jahren zuvor. Rund 420 Klagen gingen 2015 bei der zweiten Instanz ein und damit 16 Prozent mehr als im Jahr zuvor, sagte der Präsident des Landesarbeitsgerichts Karl Kotzian-Marggraf. Hingegen sei mit mehr als 8600 Streitfällen vor den vier Arbeitsgerichten in Erfurt, Gera, Nordhausen und Suhl die Zahl der Verfahren in der ersten Instanz nahezu konstant geblieben. Das zeige, dass die Kläger beharrlicher geworden seien.

«Die Leute, die sich zu uns durchstreiten, kommen mit mehr Verve und Energie», sagte Kotzian-Marggraf. Nach seinen Worten hat sich auch die Streitkultur geändert. Die Atmosphäre gehe teilweise «bis ins Verbitterte hinein.» Wenn sich jemand über Jahre ausgenutzt fühle, dann fechte er das bis ins Letzte durch. Statt eines Vergleiches oder der Rücknahme und Anerkenntnis von Forderungen werde stärker auf ein Urteil gedrängt. Die Urteilsquote am Landesarbeitsgericht sei daher von 24 auf 29 Prozent gestiegen. Zudem werde mehr um Details und um Kleinigkeiten gerungen.

Auch inhaltlich hätten sich die Fälle verändert. Die Zeit der Massenverfahren sei vorbei. Es gebe zwar noch eine Reihe von Streitigkeiten um Betriebsübergänge, wenn etwa der Arbeitgeber bei Veräußerung oder Fusion des Unternehmens wechsele. Aber auch das ebbe ab. Hingegen werde mehr um verhaltensbedingte Kündigungen wegen Fehlverhaltens oder krankheitsbedingte Entlassungen gestritten.

Generell hat jedoch die Zahl der Kündigungsklagen laut dem Gerichtspräsidenten in der zweiten Instanz leicht abgenommen. Sie sank von 33 Prozent im Jahr 2014 auf jetzt 30 Prozent. Die meisten Verfahren in diesem Jahr gingen mit 43 Prozent auf Zahlungsklagen zurück, die sich etwa um Lohnansprüche, Überstundenabrechnungen oder Urlaubsansprüche drehten. Kotzian-Marggraf sprach von der «Zeit der kleinen Münze».

2016 wird das Landesarbeitsgericht laut Kotzian-Marggraf erstmals über Streitfälle zum gesetzlichen Mindestlohn entscheiden. Drei bis vier Verfahren hätten inzwischen die zweite Instanz erreicht. Bei diesen Streitfällen gehe es aber um Detailfragen und «nicht um das große Ganze». dpa