Weimar - Die 1885 gegründete Goethe-Gesellschaft Weimar setzt bei ihren großen Tagungen mehr auf aktuelle als streng wissenschaftliche Themen. «Globalisierung als Chance? Goethe und die Weltliteratur» lautet das Leitthema der 85. Hauptversammlung im Juni. Etwa 400 Wissenschaftler und Dichter-Freunde aus 20 Ländern werden sich in Vorträgen und Arbeitsgruppen mit dem von Johann Wolfgang von Goethe geprägten Begriff der Weltliteratur auseinandersetzen.

Goethe sei für den Austausch geistiger Botschaften zwischen den Völkern eingetreten, sagte der Präsident der Gesellschaft, Jochen Golz, der Deutschen Presse-Agentur. In der beginnenden kapitalistischen Industrialisierung habe Goethe neben Chancen bereits Gefahren gesehen - auch für das Zusammenleben der Völker.

«Auch wir haben im Tagungsthema hinter den Chancen der Globalisierung ein Fragezeichen gesetzt», sagte der Literaturwissenschaftler. «Es steht für Skepsis und Nachdenken.» Deshalb sei die Podiumsdiskussion auch ambivalent mit zwei Rednerinnen aus Petersburg (Russland) und Philadelphia (USA) besetzt. Gespannt sei er auf den Festredner Jeremy Adler. Der Germanist und ehemalige Professor für Deutsche Sprache am King's College London sei einer der vehementen Gegner des Brexit, sagte Golz. «Die diesjährige Themenwahl bedeutet aber nicht, dass wir pure Kritik an der Gegenwart betreiben wollen.»

Goethe habe sich seit seiner frühen Jugend mit fremden Kulturen und Religionen beschäftigt, mit dem Koran, dem Alten Testament, mit Shakespeare und der von Herder «geerbten» Liebe zur Volksdichtung. Eines seiner bekanntesten Werke sei der «West-Östliche Divan». Ihm sei es um den Austausch von Botschaften zwischen den Völkern gegangen. Wenn man sich schon nicht lieben könne, dann solle man sich wenigstens achten, sei er überzeugt gewesen.

Die Goethe-Gesellschaft Weimar hat nach eigenen Angaben etwa 2600 Mitglieder. Daneben gibt es 57 eigenständige Ortsvereinigungen in Deutschland mit etwa 7000 Mitgliedern. Weltweit bestehen 38 internationale Goethe-Gesellschaften, zu denen die Weimarer «Muttergesellschaft» teils enge Beziehungen unterhält. dpa