Geisa/Rasdorf - Ricarda Steinbach hat vielfältige Interessen, Talente und Fähigkeiten. Mit der Malerei und expressionistischer Kunst verdiente sie während des Studiums Geld, sie hat ein Herz für den Fechtsport und weiß als Oberstleutnant der Reserve - zur Not - auch mit einem Sturmgewehr umzugehen. «Natürlich kann ich auch schießen und beherrsche militärische Grundfertigkeiten», sagt die 45-Jährige beiläufig. Doch in ihrem neuen Amt ist sie vor allem als Managerin gefragt. Seit wenigen Wochen ist sie Direktorin der Point Alpha Stiftung im thüringischen Geisa.

Die studierte Politikwissenschaftlerin arbeitete zuletzt knapp sechs Jahre als Referatsleiterin für Wirtschaftsförderung und Tourismus für die sächsische Stadt Delitzsch. Point Alpha ist nun die bislang «größte berufliche Herausforderung». Ein Job «in der ersten Reihe», wie die gebürtige Berlinerin sagt. Dort will die sportliche wirkende Frau einiges bewegen.

Ziel: 20 Prozent mehr Besucher

Steinbach hat die Aufgabe von Volker Bausch (65) übernommen, der Mitte Juli nach fast fünf Jahren Point Alpha in den Ruhestand ging. Ihre Aufgabe ist es, die Akademie mit ihrem Lehrbetrieb für politische Bildung und vor allem die Grenzgedenkstätte mit ihrem bundesweit einmaligen musealen Charakter zu führen. Point Alpha, das ist der Name eines ehemaligen US-Militär-Camps zu Zeiten des Kalten Krieges an der deutsch-deutschen Grenze. Point Alpha hat sich zu einem geschichtsträchtigen Ort entwickelt. Auf dem Areal zwischen dem osthessischen Rasdorf und Geisa in Thüringen kann die Epoche des Eisernen Vorhangs und der deutschen Teilung nachempfunden werden.

Mehr als 100.000 Menschen besuchen jedes Jahr die Grenzgedenkstätte samt ihrer Museen mit Innen- und Außenanlagen. Steinbach will die bundesweit bedeutende Einrichtung noch attraktiver und bekannter machen. Zum Start setzt sie sich und ihrem Team selbstbewusst hohe Ziele: «Wir wollen die Besucherzahlen um zwanzig Prozent steigern. Es gibt noch so viele Menschen, die Point Alpha noch nicht kennen.» Bilanz ziehen will sie im Sommer 2017, wenn sie ein Jahr im Amt ist.

Armee als neue Zielgruppe

Damit der erhöhte Besucherzuspruch gelingt, will Steinbach neue Zielgruppen erschließen, Kooperationen knüpfen und stärker mit der Tourismus-Branche zusammenarbeiten. «Klinken putzen ist angesagt», betont sie. Sie möchte auch erreichen, dass nach Schülern bei Ausflügen auch Familien den idyllisch gelegenen Ort in der Rhön kennenlernen. Auch Angehörige aus dem Sicherheitswesen und vor allem aus der Bundeswehr sollen Point Alpha eine Stippvisite abstatten.

Zur Bundeswehr hat Ricarda Steinbach eine besondere Beziehung. Ein Praktikum während des Studiums führte sie 1999 zur Führungsakademie des Bundeswehr in Potsdam - als einer der ersten zivilen Praktikanten überhaupt. An der Elite-Bildungsstätte wird der deutsche Generalstab fortgebildet. Danach blieb sie dort als Dozentin, schrieb ihre Diplomarbeit und wechselte ins Haus Rissen nach Hamburg zum Institut für Internationale Politik und Wirtschaft.

Sie avancierte zur Expertin zum Thema Frauen in Streitkräften. 2014 ließ sie sich als Reservistin anwerben, nun ist sie Ansprechpartnerin der Truppe als Fachoffizierin. «Ich bin stolz, Oberstleutnant der Reserve zu sein. Das ist schließlich ein wichtiger Dienst.» Sie sieht sich als «Multiplikator für die Bundeswehr».

Gedenk- und Diskussions-Stätte

Steinbach betrachtet Point Alpha nicht nur als rückwärtsgewandte Mahn- und Gedenkstätte mit dem Blick in die Vergangenheit. Sie will den Ort zur Diskussionsstätte und Kommunikationsplattform ausbauen. «Wir können auch Flüchtlingsthemen einbinden. Und warum sollen hier nicht auch amerikanische und russische Soldaten ins Gespräch kommen.»

Für Besucher von Point Alpha soll sich ein Besuch mehrmals im Jahr lohnen, wie Steinbach sagt. Die Dauerausstellung werde mit neuen Exponaten aktualisiert. Eines der großen Projekte in den nächsten Monaten ist der Aufbau einer neuen Ausstellung über das Alltagsleben der US-Soldaten in Osthessen. In einer ehemaligen Baracke im US-Camp in Rasdorf soll die Schau auf rund 200 Quadratmetern für rund 407 000 Euro entstehen und im Juni 2017 eröffnet werden.

Der Stiftungsratsvorsitzende und Richter am Bundesverfassungsgericht a.D., Hans-Joachim Jentsch, freut auf die Arbeit Steinbachs. Sie ist nach Uta Thofern und Volker Bausch nun die dritte Führungskraft an der Spitze der überwiegend von den Ländern Hessen und Thüringen finanzierten Stiftung. «Die Latte liegt hoch für sie als Nachfolgerin», sagt Jentsch. Doch er sei überzeugt, dass Steinbach die Aufgabe als neue Direktorin bewältigen werde.

Internet: Gedenkstätte Point Alpha