Thüringen Die Armut geht nicht in Lumpen

Wenn das Geld nicht zum Leben reicht: Mehr als eine Million Menschen in Deutschland musste 2016 staatliche Grundsicherung beziehen. Bei etwas weniger als der Hälfte war die Rente wegen krankheitsbedingter Erwerbsunfähigkeit zu gering, bei mehr als der Hälfte reichte die Altersrente nicht aus. Symbol Foto: dpa

Deutschland ist reich, die Arbeitslosigkeit auf dem Tiefststand, die Konsumlust auf Rekordniveau. Wer wegen Krankheit oder im Alter auf Grundsicherung angewiesen ist, versteht den Jubel nicht. Die Armut bleibt bis zum Lebensende.

 
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Inge B. (Name geändert) hat eine starke Erkältung. Auf Linderung durch Medikamente, die zumindest den Husten dämpfen und die Nase frei machen, verschwendet sie keinen Gedanken. "Das kann ich mir nicht leisten. Jetzt nicht und in Zukunft auch nicht, bis an mein Lebensende", sagt sie.

In der gleichen Woche melden die Nachrichtenagenturen, dass die gesetzlichen Krankenkassen im vergangenen Jahr 3,1 Milliarden Euro Überschuss verbucht haben und nun auf einem Polster von 19 Milliarden Euro sitzen. Und nur wenige Tage später verkündet der neue Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), dass es dank Hartz IV in Deutschland eigentlich keine Armut gebe.

Inge B. hat kein Polster mehr. Sie steht kurz vor der Altersrente, seit Kurzem bezieht sie bereits eine Erwerbsunfähigkeitsrente. Sie war ihr Leben lang aktiv, wollte niemandem zur Last fallen. Irgendwann machten aber die Knochen nicht mehr mit. Obwohl sie viel und hart gearbeitet hat, war nie genug Geld für eine nennenswerte finanzielle Absicherung da. Die Anerkennung der teilweisen Erwerbsunfähigkeit hat die letzten Reserven aufgezehrt. Heute muss sie von der Hand in den Mund leben.

Man sieht Inge B. die Armut nicht an. "Ich will mich nicht gehen lassen, das wäre das Ende", erklärt sie. In ihrem Gesicht kann man das Elend nicht ablesen, aber in den Papieren, die vor ihr liegen.

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