Kahla - Mehr als 500 Thüringer haben am Samstag in Kahla gegen einen Aufmarsch von Rechtsextremen protestiert. «Unsere Botschaft lautet: Egal, wohin sie sich zurückziehen, es werden immer genug Menschen da sein, um ihnen entgegenzutreten», sagte der Sprecher des thüringenweiten Bündnisses gegen Nazifeste, Sandro Witt. Außerdem erhielt der Jenaer Jugendpfarrer Lothar König den Thüringer Demokratiepreis für sein jahrelanges Engagement gegen Rechtsextremismus.

Jenas Oberbürgermeister Albrecht Schröter (SPD) erinnerte an das Unheil, dass die Nazis einst über Deutschland und Europa gebracht haben. Deswegen müsse diesem Gedankengut Einhalt geboten werden. Kahla sei ein neuer Sammelpunkt und brauche auch künftig die Unterstützung aller Demokraten im Kampf gegen Rechtsextremismus.

Der Protest richtete sich gegen einen Aufmarsch von Neonazis. Beim «Thüringentag der nationalen Jugend» standen Auftritte einschlägig bekannter Musikgruppen und Reden von Szenegrößen auf dem Programm. Laut Polizei waren dazu etwa 160 Besucher gekommen. Insgesamt sei die Lage ruhig geblieben. Ein Teilnehmer wurde kurzzeitig festgenommen, weil er ein T-Shirt mit einer volksverhetzenden Aufschrift getragen hatte. Außerdem zog die Polizei vereinzelt Messer und eine Schreckschusspistole aus dem Verkehr.

«Es ist bitter mitzuerleben, dass solche Veranstaltungen überhaupt stattfinden», sagte Landtagsvizepräsidentin Astrid Rothe-Beinlich (Grüne). Viele Rechtsextreme solidarisierten sich zudem mit dem einstigen NPD-Funktionär Ralf Wohlleben aus Jena, der im Münchner NSU-Prozess wegen Beihilfe zu neunfachem Mord angeklagt ist. Wohlleben gilt als Begründer des «Thüringentages der nationalen Jugend», der 2002 zum ersten Mal in Jena ausgerichtet wurde und alljährlich mehrere Hundert Teilnehmer in verschiedenen Städten anlockte. In Spitzenzeiten waren es etwa 800.

Die Unterstützung für Wohlleben nannte der innenpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Wolfgang Fiedler, völlig unverständlich angesichts der zehn Morde des NSU-Trios. «Wir müssen gemeinsam gegen den braunen Sumpf vorgehen», sagte er und mahnte trotz mancher Differenzen einen parteiübergreifenden Schulterschluss an.

Die Gegner des Aufmarsches hatten zu einer Kundgebung, einer Meile der Demokratie sowie zu Blockaden aufgerufen. Bündnissprecher Witt schätzte die Zahl der Teilnehmer auf etwa 600, die Polizei sprach von etwa 550. Dass das Ziel von 1000 Demonstranten nicht erreicht wurde, führte Witt auf eine eher mäßige Beteiligung aus der Bevölkerung Kahlas zurück.

Sozialministerin Heike Taubert (SPD) vergab am Nachmittag den neuen Thüringer Demokratiepreis an Jugendpfarrer Lothar König. Er habe immer an vorderster Front gegen Rechtsextremismus gekämpft und sei dabei oft belächelt und angefeindet worden, sagte Taubert. König sei ein Symbol für die Bürgerbündnisse, «dass man wirklich lang durchhalten muss». Der Hauptpreis ist mit 2000 Euro dotiert.

Die Preisvergabe an den unkonventionellen Theologen ist umstritten. Er muss sich in Dresden vor Gericht wegen des Vorwurfs des schweren Landfriedensbruchs während einer Demonstration gegen Rechtsextreme im Februar 2011 verantworten. Taubert betonte, es gehe keineswegs um eine Beeinflussung des Gerichts. «Die Richter sind unabhängig und werden ihre Entscheidung treffen.» Jenas Stadtchef Schröter betonte, König habe seit Anfang der 90er-Jahre wie kein anderer auf die Gefahren des Rechtsextremismus hingewiesen und Menschen dagegen mobilisiert. Seine Anstößigkeit und Provokationen gehörten zur Demokratie und machten Demokratie lebendig. «Lothar König ist ein Mann, der auf diese Weise sehr viel bewegt hat.»

König selbst sagte bei der Auszeichnung, dass ihm der Preis nichts bedeute, er aber für ihn eine Unterstützung in dieser schwierigen Phase sei. Er erinnerte an alle, die im Kampf gegen Rechtsextremismus aufgerieben worden seien. Auch für sie nehme er den Preis entgegen. dpa