Erfurt - Der Schießsport ist beliebt in Thüringen. In manchen Regionen gibt es fast in jedem Dorf einen Schießstand. Doch Kritiker befürchten Sicherheitsmängel im Umgang mit den Gewehren und Pistolen.

Fast genau elf Jahre ist es her, als ein Erfurter Schüler Amok lief und 16 Menschen in den Tod riss. Der Schock der Bluttat am Gutenberg-Gymnasium und weitere Amokläufe in den vergangenen Jahren führten seitdem zwar zu einem schärferen Waffengesetz sowie einem nationalen Waffenregister. Mittlerweile ist aber wieder Ruhe eingekehrt. Das Zielen auf Scheiben ist in Thüringen weiterhin beliebt und gehört in manchen Orten sogar zum kulturellen Gut. Das Landesinnenministerium sieht auch keinen Handlungsbedarf für andere Regelungen an den Schießstätten.

Geschossen wird derzeit laut einem Ministeriumssprecher an 449 Schießstätten im Land. Viele der Schießstände liegen im Süden des Freistaates. Die Angaben beziehen sich auf Ende 2011, jüngere Zahlen liegen noch nicht vor. Grundsätzlich unterscheidet die Aufsichtsbehörde in Anlagen für erlaubnisfreie und solche für erlaubnispflichtige Schusswaffen, die regelmäßig kontrolliert werden müssen. Größere Verstöße oder Auffälligkeiten habe es dabei in den vergangenen Jahren nicht gegeben, sagte eine Sprecherin des zuständigen Landesverwaltungsamtes (LVA) in Weimar. Die Behörde überprüft in regelmäßigen Abständen die Kontrolleure der Schießstände.

Kritiker bemängeln, dass es bei den vielen Anlagen ein leichtes sei, an Waffen zu kommen. Eine Initiative hatte deshalb ein Verbot tödlicher Sportwaffen gefordert und war damit im Februar vor dem
Bundesverfassungsgericht gescheitert. Sachsen-Anhalts Grünen-Fraktion kritisierte Ende Februar, dass es immer noch Schießplätze an Grundschulen gebe. Ähnliche Konstellationen seien ihm aus Thüringen nicht bekannt, betonte der Sprecher des Innenministeriums in Erfurt.

Der MDR berichtete von ziemlich laschen Alterskontrollen an Schießplätzen in Sachsen und Thüringen. So beobachtete der Fernsehsender mit versteckter Kamera, wie ein 16-Jähriger unter anderem in Meuselwitz (Kreis Altenburger Land) problemlos mit einer großkalibrigen Waffe schießen konnte, die eigentlich nur für Erwachsene erlaubt ist.

«Das sind aber Ausnahmen», sagte der Sachverständige Karl-Heinz Sack, der für die Behörden die Schießstände im Südharz kontrolliert. «In 20 Jahren habe ich keinen Unfall erlebt.» In manchen Gegenden habe mittlerweile jedes Dorf einen eigenen Stand. Dies sei für die meisten aber nur ein Hobby, fügte Sack hinzu, der selbst Schütze ist. Schlimm sei es in den 1990er-Jahren gewesen. Als die russische Armee abgezogen war, seien die Schießstände übernommen worden. Sicherheitsstandards habe es zunächst nicht gegeben. «Da hatten die Russen keine Hemmungen», sagte er. Auch seien viele Waffen illegal in Thüringen verkauft worden. Immer noch gebe es eine hohe Dunkelziffer.

Mittlerweile seien die Vorschriften in den Schützenvereinen aber angemessen und «nicht zu scharf», sagte Sack. Für ihn sind die waffenfreundlichen USA Vorbild. Schließlich werde man nicht durch die
Waffe zum Amokläufer, «das geht auch mit einer Kettensäge».

In Deutschland gibt es laut Nationalem Waffenregister rund 5,5 Millionen Waffen in Privatbesitz, in Thüringen sind es rund 130 000. Im Deutschen Schützenbund sind rund 1,5 Millionen Mitglieder in 15 000 Vereinen organisiert. Allein der Thüringer Schützenbund vertritt laut Geschäftsführer Holger Schade rund 18 000 Schützen. Die Mitgliederzahl sei in den vergangenen Jahren allerdings leicht rückläufig gewesen. Immer noch ist der Schützenbund damit aber der viertgrößte Verband im Landessportbund.