Bremerhaven an der Nordsee ist einer der größten Häfen für Autotransporte in Europa. Gigantische Frachter bringen und holen jährlich bis zu zwei Million Fahrzeuge. Doch aus einem dieser unzähligen Neuwagen sickert Blut, ein Toter liegt im Kofferraum. Als spektakuläre Kulisse kommt nun auch Bremerhaven in dem neuen „Tatort“ von Radio Bremen vor: „Donuts“ am Sonntag um 20.15 Uhr im Ersten ist ein nächtlich dunkles Drama mit grellen, bunten Lichtern, rasanten Stunts und schnellen Schnitten - mehr Kino für junges Publikum als Sonntagabendkrimi. Der „Tatort“ macht auf „Fast and Furious“.
Regisseur Sebastian Ko stammt selbst aus der Küstenstadt an der Wesermündung. Er hat am Drehbuch mitgeschrieben, man spürt, dass er Stadt und Leute kennt. „Für mich ist mit dem Dreh in meiner Heimatstadt ein kleiner Traum in Erfüllung gegangen“, sagt Ko. Vom Meer her wirke Bremerhaven mit seiner Skyline und dem gigantischen Hafen wie eine Metropole. Doch dahinter verberge sich eine „kleine Stadt mit großen sozialen Verwerfungen“. Das arme Bremerhaven hat seit Jahren eine der höchsten Arbeitslosenquoten in Deutschland.
Für die Bremer Ermittlerin Liv Moormann (Jasna Fritzi Bauer) und ihre Kollegen bedeutet ihr vierter Fall also ein Auswärtsspiel. „Jein“, antwortet BKA-Analystin Linda Selb (Luise Wolfram) auf die Frage, ob die Bremer Polizei überhaupt zuständig sei. Der Überseehafen in Bremerhaven sei formal Bremer Stadtgebiet. „Der Bürgermeister Smidt hat vor 200 Jahren 120 Goldtaler dafür gelatzt“, sagt Selb. „Seitdem ist es kompliziert. So wie in jeder guten Beziehung.“
Spuren in der Mordsache führen zu den jugendlichen Autotunern Marie (Luisa Böse), Gheorghe (Adrian But) und Oleg (Jonas Halbfas). Sie schnappen sich heimlich Autos für nächtliche Rennen. Nur ist diesmal der gestohlene Wagen eine Nummer zu heiß für sie. Vor allem Marie ist ein As am Steuer, risikosüchtig. Sie lässt die Autos mit qualmenden Reifen im Kreis schlittern. „Donuts“ heißt dieses Kunststück im Slang - und das weiß ausgerechnet die strenge Profilerin Selb. Sie wird bald nach Brüssel abberufen und kommt nur noch in Videotelefonaten vor - genauso wie der dänische Kollege Mads Andersen (Dar Salim).
Liv Moormann ist in ihrer Heimatstadt Bremerhaven weitgehend auf sich gestellt. Immerhin wird sie dort als Eigengewächs akzeptiert. Zur Seite steht ihr der örtliche Kollege Robert Petersen (Patrick Güldenberg), mit dem sie schon früher zusammen Dienst geschoben hat.
Krimi-Puristen streiten, wie viel man über das Privatleben von Kommissaren wissen will - nach diesem „Tatort“ weiß das Publikum mehr über die zerrütteten Familienverhältnisse von Liv Moormann, als die toughe Polizistin je freiwillig preisgeben würde. „Die Heimat umarmt mich wie ein böser Tiger“, sagt sie. Denn auch die Auto-Närrin Marie heißt mit Nachnamen Moormann. Und es dauert unzulässig lange, bis die Polizistin bei ihren Kollegen mit dieser Wahrheit herausrückt.
„Bringt dir das 'nen Kick, die ganze Bremerhavener Polizei abzuhängen?“, faucht die ältere Halbschwester die jüngere an. „Steckst mich in den Knast?“, gibt Marie zurück. „Würde ja passen, alles für die Scheißkarriere!“ In den Szenen mit der dazugehörigen Mutter (Angelika Richter) trägt der Film ziemlich dick auf.
Gegen Ende spitzt sich das psychologische Drama zwischen den ungleichen Schwestern zu. Kann die Ermittlerin die kleine Schwester vor noch mehr Unheil bewahren? Und welche Entscheidungen trifft Marie? Noch einmal heult ein Motor auf, der Drehzahlmesser dreht hoch, Reifen quietschen ... Dann wird alles still, sehr still.
"Tatort"-Vorschau Heiße Reifen und ein Drama unter Schwestern
dpa 02.04.2023 - 12:16 Uhr