Wie bekommt man eigentlich ein Schloss warm?, will ich wissen. André Maat erzählt, dass er im Keller eine Pellet-Heizung installiert hat. Ich sehe meinen Mann an. Wir sind letztes Jahr auch umgestiegen von Öl auf Pellets. Wenn ich an die neue Tankrechnung denke, bekomme ich immer noch Schnappatmung. Dem Schlossmann und seiner -frau erging es offenbar nicht anders.
Viele Erinnerungen
André und Tally Maat werden an diesem Sonntag immer wieder von Besuchern in Beschlag genommen und mit Fragen gelöchert. Es sind vor allem die Roßdorfer selbst, die nicht nur neugierig sind, sondern auch viele Geschichten beisteuern können. Erinnerungen aus der Kindheit und der Jugend. Petra Möller zum Beispiel ist vor 66 Jahren in einer der oberen Wohnungen geboren worden. 20 Jahre war das Dachgeschoss ihr Zuhause. Später heiratete sie im Schloss ihren Mann – denn zu DDR-Zeiten beherbergte es das Standesamt, die Bibliothek, das Bürgermeisteramt sowie Wohnungen, unter anderem für Vertriebene. Heute ist die Wohnung nicht wiederzuerkennen. Mit viel Fingerspitzengefühl saniert, kann sie seit April 2021 als eine von fünf Ferienwohnungen gebucht werden. „Das wäre doch was. Wohnen im Schloss.“ Mein Mann rollt mit den Augen.
In der Kleinen Galerie, nur wenige Schritte vom Schloss entfernt, komme ich mit Alfons Trautwein ins Gespräch. Seit 2002 stellen in dem ehemaligen Gutshof zeitgenössische Künstler aus. Erst am Freitag wurde die Ausstellung „Zweischürig“ der Weimarer Künstler Marita Wagner und Volker Könitzer eröffnet. Einmal im Jahr, erzählt Trautwein stolz, gehöre die Kleine Galerie und der einstige Speicher des Gutshofes den Schülern der Roßdorfer Grundschule. Wieder staune ich, was dieses kleine Dorf doch zu bieten hat. Der Roßdorfer entlässt uns nicht eher, bis er uns die Wagnerstube gezeigt hat. „Wir haben zwei berühmte Söhne“, erzählt er von dem Dichter und Schriftsteller Ernst Wagner (1769-1812) und seinem, dem Landschaftsmaler und Grafiker Sohn Carl Wagner (1796-1867). Zum Glück wusste ich über das Gefecht am Nebel 1866 Bescheid. Auch dazu gibt es ein kleines Museum.
„Irre, was dieses kleine Dorf zu bieten hat“, sage ich zu meinem Mann, als wir gegen 17 Uhr wieder im Auto saßen. Fußlahm, aber gesättigt vom unwiderstehlichen Kuchen, den Roßdorfer Frauen gezaubert haben. 15 Vereine, ein Schloss, ein sanierter Gutshof, Kindergarten und Schule, ausgebaute Wanderwege – und engagierte Leute wie das Ehepaar Maat, oder wie Alfons Trautwein oder wie die Mitglieder vom Schützenverein, die am Sonntag für das leibliche Wohl zuständig waren. Für einen Besuch in Walldorf war es inzwischen zu spät. Den holen wir nach.