Statt Stadtfest Ein Hirschessen mit buntem Markttreiben

Annett Recknagel

Schmalkaldens Hirschessen, das traditionell Ende August tausende Gäste anlockt, fiel auch in diesem Jahr coronabedingt aus. Gefeiert wurde in der historischen Altstadt trotzdem.

 
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Schmalkalden - Wo war nur der Hirsch? Landgraf Philipp, der Großmütige, jedenfalls – und das lag am Vanilleduft – befand sich in unmittelbarer Nähe. Natürlich vermisste auch er das Tier mit dem eindrucksvollen Geweih. „Der Hirsch war noch nicht feist genug“, verkündete er dem Publikum. Da kann man nichts machen. Was nicht sein darf, das darf nicht sein. Also lächelte der edle Herr und zog an seinem Pfeifchen.

Momente später roch es nach Weihrauch. Bruder Johannes alias Jens Büttner versteckte sein Antlitz unter einer riesigen Kapuze, schwenkte das Räuchergefäß hin und her und war mit sich und der Welt zufrieden. Genauso wie die Schmalkalder. Am Samstagmittag saßen sie voller Spannung auf den Bänken in der Innenstadt und harrten der Dinge, die da kommen sollten. Ein Stadtfest war es nicht, aber immerhin ein StattStadtfest.

„Es ist Kultursommer und der Hirsch fehlt“, verkündete Bürgermeister Thomas Kaminski und strahlte. Für ihn nämlich stand fest, dass die Schmalkalder auch ohne Hirsch feiern können. Natürlich mit Gästen aus nah und fern. Gerade unter den Bürgermeistern der Partnerstädte – bis auf Fontaine und Waiblingen waren alle anderen gekommen – gab es großes Hallo. Seit anderthalb Jahren hatten sie sich nicht gesehen. Im vergangenen Frühjahr hatte Schmalkalden süße Nougat-Grüße an seine Partner verschickt, auch in Videokonferenzen winkte man sich aus der Ferne ab und an zu. „Das alles aber ersetzt keine persönlichen Kontakte“, erklärte Bürgermeister Kaminski von der Bühne herab.

So wie man sich hierzulande durch die Coronazeit hinweg über Wasser hielt, war es auch den Freunden im In- und Ausland ergangen. Der Bürgermeister von Recklinghausen, Christoph Tesche, begrüßte die Schmalkalder traditionell mit „Glück auf“. Recklinghausen nämlich ist eine Bergarbeiterstadt. In den sieben Jahren seiner Amtszeit war Tesche schon oft in der Hochschul- und Fachwerkstadt unterwegs, selbst eindrucksvolle Urlaubstage hat er hier schon verbracht. Als Geschenk hatte er ein Puzzle mit 1000 Teilen mitgebracht. „Für die sechste oder siebte Welle“, scherzte er. Zusammenzusetzen ist das Rathaus aus Recklinghausen. Als Puzzle war es erschienen infolge eines Wettbewerbes das schönste Rathaus betreffend. „Recklinghausen hat gewonnen“, erklärte Tesche und die Schmalkalder freuten sich mit ihm.

Kai Kaltwasser, Bürgermeister in Remscheid, erzählte vom gegenwärtigen Neubau einer Berufsschule in seiner Stadt. Zu finden sein wird sie künftig in der Schmalkalder Straße 2. „Das ist ein sehr gutes Zeichen der Verbundenheit zwischen unseren beiden Städten“, sagte er und das Publikum applaudierte kräftig.

Zlatko Zhivkov aus der bulgarischen Partnerstadt Montana hatte einen guten Wein als Heilmittel gegen Corona mitgebracht und erinnerte daran, dass die Partnerschaft einst über die Schulen beider Orte begann und die in zwei Jahren ein halbes Jahrhundert bestehen werde.

Giacomo Bosio aus Alpignano war besonders glücklich, in Schmalkalden sein zu dürfen. Er wolle alles daran setzen, die Kooperation auch künftig aufrecht zu erhalten, insbesondere möchte er mehr Projekte für junge Menschen starten. Die Coronakrise habe gezeigt, dass man niemals allein sei.

Das erste Fass Bier geht auf mich“, erklärte Bürgermeister Thomas Kaminski und rief dazu auf, das Leben so zu nehmen wie es ist und die Seele für zwei Tage einfach baumeln zu lassen. Schließlich klirrten die Weingläser auf der Bühne an.

Um die Prominenz herum hatte sich die Gilde der Stadtführer und die Zeitenwanderer gruppiert. Matthias Vester fiel als Zeitreisender sofort auf. Einzig um nur einen Stiefel anzuziehen, habe er zehn Minuten gebraucht. Stefan Gampe war als Landsknecht gekommen, Thomas Werlich als Nachtwächter. „Ich habe im alten Gasthaus zum Adler mit meinem Mann damals Tee getrunken“, war von Königin Viktoria alias Ludmilla Lahmann zu erfahren. Johanna Witt hatte sich in die Landgräfin Hedwig Sophie verwandelt, Ute Möcker stellte eine gewisse Crunihild dar und Claudia Koch war das Edelfräulein Isabella.

Übrigens wurden zur Feier des Tages kostenfreie drei thematische Stadtführungen angeboten. Zudem gab es Rundfahrten im Eventbus. Ein kleiner Trödel- und Antikmarkt lud zum Bummeln ein. Und es gab Klöße, Rotkohl und Hirschgulasch. Zubereitet und angeboten vom Fly-In in Niederschmalkalden.

Musikalisch unterhielten am frühen Nachmittag die „Welgerstäler Schürzenjäger“. In dieser Formation standen die drei Schmalkalder Musiker Marcus Klaedtke (E-Gitarre, Gesang) , Andreas Fuchs (E-Gitarre) und Mathias Rudolph (Drums) das ersten Mal gemeinsam auf der Bühne. „Die Premiere vor der Welttournee“ prangte auf Plakaten; ein Zeichen dafür, dass die Jungs viel Freude an dem Spaß-Projekt hatten, das ganz spontan entstanden ist. Und sich vielleicht zu einer festen Band unter anderem Namen entwickeln könnte. Am Samstagabend durfte dann bei Livemusik mit „Lucky Charme“ DJ und Live-Gesang von Jan Röper das Tanzbein geschwunden werden.

Während am Samstag hin und wieder sogar die Sonne durch die Wolken lugte, was vermutlich an DJ Lutz Eichel lag, der vor der offiziellen Eröffnung des Festes den Titel „Schönes Wetter heute“ eingespielt hatte, blieb es am Sonntag leider grau und regnerisch. Nichtsdestotrotz nutzten Einheimische und Gäste den „Verkaufsoffenen Sonntag“ zum ausgiebigen Schoppen.

Am Nachmittag waren dann vor allem viele Familien angesprochen, um Zauberei, Artistik, Musik und Gesang zu erleben. In der Stadtkirche St. Georg ließen sich zum Ausklang des Tages mehr als 400 Zuhörer vom Polizeimusikkorps Thüringen verzaubern. Eingeladen zum Benefizkonzert hatten der Rotary Club und die evangelische Kirchengemeinde Schmalkalden.

ar/sö

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