18 Jahre sind noch nicht besonders viele, um mit bemerkenswerten Fehlern oder Leistungen von sich reden zu machen. Außerdem haben die Eltern, König Felipe VI. und seine Frau Letizia, zugesehen, dass ihre Töchter Leonor und Sofía nur selten ins Licht der Öffentlichkeit kamen. Das hat sich in den letzten Monaten geändert. Leonor ist zur öffentlichen Person geworden. Was die Welt zu sehen bekommt, ist eine gute Prinzessin.
Nach zweijährigem Schulbesuch in einem walisischen Internat spricht sie flüssiges Englisch, ebenso gutes Katalanisch und auch Baskisch und Galizisch, und überhaupt spricht sie für eine bald 18-Jährige mit erstaunlicher – noch nicht perfekter – Sicherheit. In jedem Wort, in jeder Geste, in jedem Blick ist ihr anzumerken, dass sie für den Beruf der Königin erzogen worden ist und dass sie beschlossen hat, diese Herausforderung anzunehmen. Falls sie jemals gegen ihre Eltern oder gegen ihre Rolle rebelliert haben sollte, ist davon keine Spur zurückgeblieben.
Sie nimmt ihre Berufung ernst
Im August begann Leonor eine Ausbildung zur Soldatin, so wie einst ihr Vater und ihr Großvater. Als künftige Königin Spaniens wird sie laut Verfassung den „Oberbefehl über die Streitkräfte“ übernehmen, was symbolisch gemeint ist, aber im Fall der Fälle Bedeutung haben kann: so wie am 23. Februar 1981, als Juan Carlos putschende Militärs erfolgreich in ihre Kasernen zurückbeorderte. Trotzdem ist der auf drei Jahre angesetzte Dienst beim Militär für Leonor keine gesetzliche, sondern eine Ehrenpflicht: ein weiterer, vielleicht der wichtigste Beleg dafür, dass sie ihre Berufung ernst nimmt.
Sie wirft sich für Spanien in den Schlamm, so wie sie sich am Nationalfeiertag im Königspalast huldvoll einem mehr als einstündigen Begrüßungsritual für 2000 Gäste unterzieht. Als dies am 12. Oktober vorbei war, rief ihr ein Kamerad von der Heeresakademie zu: „Wie schön du bist, Borbón!“, worauf ein kurzes, entspanntes Lächeln über ihr Gesicht ging. Entspannung gehört ansonsten nicht zu ihrer Berufsauffassung.
Empfang ohne Großvater Juan Carlos
Laster
Über der ernsthaften Leonor liegt der Schatten ihres lasterhaften Großvaters Juan Carlos. Die Spanier sind keine begeisterten Monarchisten, sie stehen zum Königshaus, solange es gute Arbeit macht. Juan Carlos tat das lange Zeit, er war der Schutzschild der jungen spanischen Demokratie nach dem Ende der Franco-Diktatur, dann ließ er sich gehen. Er liebte das gute Leben, die Frauen – nicht nur seine eigene – und das Geld, wo immer es herkam.
Lektion
Wer ihm die Fehltritte mehr als jeder andere verübelt, ist sein Sohn Felipe. Zum Verfassungseid Leonors und zum anschließenden Empfang im Königspalast ist Juan Carlos nicht geladen, nur danach zu einem familiären Beisammensein. Jaime Peñafiel, der Gottvater des spanischen Königshausjournalismus, nennt das ein „unbeschreibliches und grausames Verhalten“ des Sohnes gegenüber dem Vater. Es lässt sich als Lehre für Leonor interpretieren: Sie mag gelegentlich versagen. Aber bitte nie im Ansehen so tief sinken wie der Großvater.