Schmalkalden Premiere für Kunst im virtuellen Raum

Norbert Krah
Vor drei Werken des Altmeisters Franz Reiß – sein Enkelsohn Martin, sein Sohn Thomas Reiß und Christoph Zimmermann sowie Galerieleiter Norbert Krah (von rechts). Foto: Norbert Krah

Zur Eröffnung der aktuellen Ausstellung in der Schmalkalder FBF-Galerie wurde seitens der Macher mit digitaler Kunst im virtuellen Raum absolutes Neuland beschritten.

 
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Vor über zwei Jahren hatte ein FBF-Team mit Wolfgang Nickel, Benjamin Krah, Heinz Plachetka und Norbert Krah mit ersten konzeptionellen Überlegungen begonnen, wie man mit digitalen Werkzeugen, leistungsfähigen Computern, 3D-Scannern und 3D-Druckern, digitale Kunstprojekte unter dem Titel „Perspektiven 21“ entwickeln kann. Die Kulturstiftung des Freistaates Thüringen befand das Projekt förderungswürdig und so konnte man trotz der Hindernisse durch Corona Schritt für Schritt mit der Förderung das Projekt in Angriff nehmen.

Zur Vernissage in der vergangenen Woche in der FBF-Galerie war nun „die Stunde der Wahrheit“ gekommen. Im bis auf den letzten Platz besetzten Saal begrüßte der Galerieleiter ein erwartungsvolles Publikum, darunter den Kämmerer des Landkreises und SPD-Kreisvorsitzenden Christoph Zimmermann.

Wie in der Heimatzeitung angekündigt, hatte das FBF-Team eine Kunstausstellung gestaltet, wie sie anscheinend nicht gegensätzlicher sein konnte. Auf dem Galerierang waren repräsentativ Kunstwerke „Alter Schmalkalder Meister“ in traditionellen klassischen Maltechniken ausgestellt und im Galeriesaal dominierte durch Computer generierte „Junge digitale Kunst“. Wie sich herausstellte, so war aus dem Publikum zu vernehmen, ergab sich dadurch eine sehr belebende Spannung über den gesamten Abend.

Einerseits direkt zu betrachtende wunderschöne, farbenfrohe Aquarelle und Gemälde von Schmalkalder Kunstmalern, den „alten Meistern“, wie Walter Nickel, Alfred Oehring, Franz Reiß, Hubert Rockenberger, Herbert Lubich und Sieghard Narr, andererseits bewundernswerte neue Kunst, geschaffen mit den Techniken des 21. Jahrhunderts auf dem Großbildschirm und auf Laptops, sowie aus dem 3D-Drucker und auch auf Papier.

Zur Einführung bot der Galerieleiter eine Präsentation an, in der er zunächst Computer- Originalgrafiken aus dem Jahr 1986 zeigte, die damals das FBF-Vorgängerteam in der alten großen Mensa der Ingenieurschule Schmalkalden parallel zur 2. Schmalkalder Fachtagung ausgestellt hatte. Eine Ausstellung mit Kunst-Grafiken, die mit dem Computer erstellt wurden, war damals noch eine Sensation, in Thüringen zumindest erstmalig eine Ausstellung.

Der Berliner Grafiker Horst Bartnig, der DDR-Computergrafikpionier, stellte für die Ausstellung an der Ingenieurschule acht Grafiken zur Verfügung, die er damals mit Unterstützung eines Großrechners der DDR – Akademie der Wissenschaften berechnen und ausdrucken ließ. Deren Duplikate sind nun wieder in der FBF-Galerie zu sehen. Durch den damaligen Direktor der Ingenieurschule angeregt, hatte der Student Dagobert Mühlhaus, in Vorbereitung auf diese Ausstellung 1985 Programme für Kleincomputer entwickelt, mit denen er mathematische Grundgleichungen für die Gerade, den Kreis, die Parabel usw. durch Parametern variierte und als Kurvenscharen – Bilder ausdruckte. Dadurch entstanden geometrische Figuren, die, man glaubte es kaum, grundlegende ästhetische Ansprüche erfüllten. Diese Grafiken sind in der Galerie als Originalgrafiken ebenfalls zu sehen.

Als dann in der Präsentation Computerkunst von Julietta Hoffmann von der Kunsthochschule Berlin und von Wolfgang Nickel gezeigt wurden, war für jeden der Gäste der Entwicklungssprung ins Jahr 2022 deutlich zu erkennen. Während die Arbeiten von Julietta Hoffmann die Grundlage für Computerfilme sind, hat Wolfgang Nickel zunächst Zeichnungen, Modelle und Kleinplastiken für Kunstwerke für den öffentlichen Raum angefertigt, die mit digitaler Technik weiter bearbeitet wurden. So ist 2021 das Designkunstwerk „Werkzeugstadt Schmalkalden“ entstanden, und so wurden jetzt von ihm historische Schmalkalder Persönlichkeiten wie Martin Luther, Landgraf Wilhelm von Hessen, Elisabeth von Rochlitz und der Schmalkalder Komponist Carl Wilhelm, zuerst als Plastiken gestaltet.

Danach hat Benjamin Krah mit der „digitalen Bearbeitung“ der Figuren begonnen, in dem er mit dem 3D-Scanner jeweils einen Datensatz generierte. Mit diesen Datensätzen können nun die Kunstwerke vergrößert oder verkleinert mit dem 3D-Drucker ausgedruckt werden. Beispiele dafür waren in der Ausstellung zusammen mit zahlreichen verschiedenartigen anderen 3D-Drucken von Heinz Plachetka zu betrachten.

Die gescannten Datensätze nutzt die FBF mit Hilfe eines Programms und eines QR-Codes (QRC), um die Kunstwerke im virtuellen Raum sichtbar werden zu lassen. Das war die gelungene zusätzliche Überraschung des Abends für die Gäste. Jeder, wer wollte, konnte mit seinem Handy den jeweiligen ausliegenden QRC scannen und dann erschienen auf dem Handydisplay im 3D-Format Martin Luther oder der Landgraf oder Elisabeth von Rochlitz oder Carl Wilhelm im Raum der FBF-Galerie. Dass die FBF eine so unkomplizierte Form gefunden hat, um historische Persönlichkeiten mit Bezügen zu Schmalkalden als virtuelle Kunst erlebbar zu machen, lobten nicht nur der Politiker Christoph Zimmermann, der das „Projekt als sehr gut ausbaufähig bewertete“, sondern auch Jürgen Altenburg und Roger Ziereisen als Künstler, sondern ebenso der Softwareexperte Martin Reiß, der Enkelsohn von Franz Reiß. „Eine solche Ausstellung mit wunderschöner alter Kunst orts- und zeitgleich mit einer Fülle völlig neuer Kunst, digitaler Kunst, zu erleben und zu genießen, das macht die Einmaligkeit dieses Vernissageabends in der FBF-Galerie aus“, so fasste es der Künstler Jürgen Altenburg zusammen.

In der Galerie bildete sich nach der Freigabe der QRC ein „historischer Hotspot“, bei dem alle Besucher selbst aktiv werden konnten, um die historischen Personen auf ihrem Handy im virtuellen Raum erscheinen zu lassen. „Wann gibt es das schon in einer Kunstausstellung?“, fragte ein Besucher. Ein zweiter „Live-Hotspot“ stellte sich bei Benjamin Krah ein. Bei ihm konnte man seinen Kopf im 3D-Format scannen lassen und danach auf dem Bildschirm „ringsherum drehend“ vor dem möglichen Drucken betrachten.

„Natürlich“, so meinte Wolfgang Nickel, „sind die gezeigten Präsentationen ausgewählte Beispiele dafür, wie man heute reale Kunstwerke durch Nutzung digitaler Techniken in eine virtuelle Realität überführen oder in einem anderen Medium als neues reales Kunstobjekt darstellen kann. Diesen Anfang, diese ersten Versuche, mit relativ einfachen Mitteln, lohnt es weiterzuentwickeln, zu perfektionieren.“ Verlockend sei der Gedanke der FBF, zusammen mit der Stadt Schmalkalden an markanten Bezugsorten im Stadtraum solche „FBF-QRC“ zu platzieren, an denen historische, und – warum nicht auch (?) – lebende Persönlichkeiten auf dem Handy dreidimensional von Besuchern im realen Bezugsraum betrachtet werden, später vielleicht sogar, zum Besucher sprechen können. Ein Gespräch mit dem Bürgermeister habe es zu dieser Überlegung schon gegeben.

„Die Vollkommenheit des Abends“, so die Kunstfreundin Karola Böswetter-Bach, „gelang dem jungen Schmalkalder Musiker Felix Schliewenz mit seiner musikalischen Umrahmung der Vernissage, mit seinen unter die Haut gehenden Saxofon- und Klavierstücken sowie seinem unnachahmlich kräftigen Gesangsdarbietungen.“

Karl-Wilhelm Schaft aus Niederschmalkalden sagte, „dass es bewundernswert sei, was das „kleine FBF-Team uns heute Abend geboten hat. Meine Frau und ich haben wieder einen sehr interessanten Abend erlebt und viel dazugelernt.“

Besuchergruppen können überden Briefkasten der FBF-Galerie, Gillersgasse 2, 98574 Schmalkalden oder über E-Mail: prof.dr.n.krah@gmx.de einen Besuchs- und Vorführtermin vereinbaren

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