Schicksalsschlag für Steinacher Familie Totalverlust aus heiterem Himmel

Gegen 13.30 Uhr war Steinachs Feuerwehr am letzten Montag im Mai zu dem Gebäudebrand in der Bätzenecke alarmiert worden. Bis gegen 3 Uhr nachts harrten die Retter aus und hatten ein Auge darauf, dass das Feuer nach den Löscharbeiten nicht wieder aufflammt. Foto: /Feuerwehr Steinach

Der Brand eines Hauses in der Bätzenecke hat drei Kindern und deren Eltern das Zuhause geraubt. Die Stadt Steinach und der Verein „Freies Wort hilft“ rufen zu Spenden auf.

 
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Schärfer kann der Kontrast kaum ausfallen. Von der Straße her präsentiert sich das Einfamilienhaus nahezu unversehrt. Prächtig-bunte Pflanzen im Kübel drängen sich als Blickfang auf. Unterm Vordach sprießen knallrote Gerbera im Topf. Der Frühling lässt die Knospen knallen, sattes Grün rahmt das Gebäude ein. Erst wenn man den Kopf in den Nacken legt? Bekommt man einen Eindruck von der zerstörerischen Kraft des Feuers, das in der Bätzenecke am Montagnachmittag vor einer Woche gewütet hat. Die Dachhaut ist aufgerissen, verkohlte Balken schauen hervor. Hinterm Haus macht sich auf dem schmalen Streifen zum Berg hin eine Trümmerlandschaft breit aus zerborstenen Ziegeln und versengtem Dämmstoff, verschmorten Latten und verschmolzenen Regenrinnen.

Wie berichtet, war das Brand am Montag kurz nach 13 Uhr bemerkt worden. Man habe mit einem der Kinder noch beim Mittagessen zusammengesessen, sagt Nadine Müller, die zwei anderen waren in der Schule. „Nichts haben wir gemerkt – kein Brandgeruch, gar nichts.“ Da muss das Feuer schon Anlauf genommen haben auf der Rückseite des Hauses hinauf zum Dach. Die Ursache? Konkret habe sich ihr gegenüber dazu bislang kein Sachverständiger festlegen wollen. Wie auch immer: Als Nico und Nadine Müller die schwelende Gefahr bemerkten, gab’s längst keine Chance mehr der Situation womöglich selbst irgendwie Herr zu werden.

Den Notruf habe sie abgesetzt, schildert die 43-Jährige. Dann flüchteten sich die Eltern mit dem Kind an der Seite und dem Hund auf dem Arm ins Freie. Um vom Nachbargrundstück aus fassungslos Zeuge zu werden, wie die Flammen sich Bahn brachen. Das Zuhause zerstörten.

In Schutt und Asche

Den Schaden schätzten die Ermittler im Nachgang auf 200 000 Euro. Die Summe markiert den Totalverlust der Immobilie. Und gibt eine Ahnung, dass nichts mehr übrig ist vom Besitzstand, keine Jacke und keine Hose, keine Socke und kein Kleid.

Am schlimmsten, so sagt die Mutter, nehme es die Tochter. Die hatte ihr Zimmer im ausgebauten Dachgeschoss. Was der Teenager dort aufbewahrte, ist zu Schutt und Asche geworden, einerlei ob Bücher für die Schule oder Plüschtiere aus Kindheitstagen.

Die Gitarre des Mädchens ist verbrannt, der leere Tragesack zum Instrument liegt am Hang. Zwischen weiteren hastig aus dem Fenster geworfenen Habseligkeiten, die einst ihren festen Platz und eine Bedeutung hatten im Haus der Müllers.

Und sei’s im Zelt

Ihren Dank und ihre Anerkennung haben die Feuerwehrler – „das muss bitte unbedingt rein in den Text“, betont die Mutter. Als die heiße Phase vorüber war, habe sich immer wieder ein Trupp gefunden, ihr auf Zuruf das ein oder andere mit nach draußen zu bringen.

Bilder zum Beispiel, die gerahmte Aufnahme, die den Großvater vor seiner Wohnung in der alten Feuerwache in der Grüntalstraße zeigt. Den Ehering aus dem Schlafzimmer. Kleine Dinge mit großem Erinnerungswert. „Das wäre sonst alles weg gewesen.“

Nadine Müller sagt, dass sie seit dem Nackenschlag jeden Tag hier vorbeischaut. Sie kämpft mit den Tränen: „Aber ich brauche das. Ich will das sehen. Damit ich es begreifen kann, dass das jetzt die Wirklichkeit ist.“ Doch aufstecken? Ist nicht die Sache der Altenpflegerin.

Sie hoffe auf eine schnelle Abwicklung mit der Versicherung. Und sie hat auch beschlossen, dass es einen Neustart geben wird. „Mich bringt hier nichts weg. Schon gar nicht aus Steinach. Wir werden hier wieder wohnen. Und sei’s, dass ich ein Zelt aufs Fundament setze.“

Man möchte schmunzeln: Der Familienrat wird vermutlich dem folgen müssen, was die resolute Mutter ihm als Richtung weist. Im Oktober 2012 sind Nadine und Nico in der Bätzenecke eingezogen. Zuvor wurde das Anwesen, es datiert aus den 1880er-Jahren, grundhaft saniert. Die Fassade aus Schiefer und das Fundament aus Steinacher Flusssteinen sind geblieben. „Drinnen ist alles Eigenleistung“, kein Nagel und kein Stecker, keine Leitung und keine Wand, die ihr Mann, ihr Vater und Schwiegervater nicht in der Mache hatten. Untergekommen sind das Ehepaar und ihre drei Kinder, zwei Jungs, ein Mädchen im Alter von 9, 13 und 14 Jahren, zwischenzeitlich in einer ausgebauten Gartenhütte am Vogelberg, die ihnen die Familie Luthardt als Notlandung überlassen hat.

Überwältigend nennt Nadine Müller all die Zeichen der Anteilnahme und Zuwendung, die ihnen schon zuteil wurden. Ob Neuhäuser Gymnasium, Steinheider Grundschule oder Steinacher Nordschule – überall haben Klassenkameraden ihrer Kinder und deren Eltern Aktionen gestartet. Die Spenden anzunehmen von Nachbarn und Freunden, Bekannten und Verwandten? Falle nicht leicht, gerade wenn man immer für sich selbst einstehen konnte im bisherigen Leben.

Dass diese Normalität zurückgewonnen sein will, samt Neustart am vertrauten Ort, bleibt daher das erklärte Ziel. Wie lange der Weg auch dauern mag. anb

Die Stadt Steinach und der Verein „Freies Wort hilft“, das Hilfswerk dieser Zeitung, rufen zu Spenden auf für die Brandopferfamilie aus der Bätzenecke. Überweisungen sind erbeten an „Freies Wort hilft“, IBAN: DE39 8405 0000 1705 0170 17 bei der Rhön-Rennsteig-Sparkasse. Stichwort: Steinach.

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