Schichtwechsel Menschen mit Handicap in Meininger Firmen

Erik Hande

Menschen mit Handicap tauschten ihren Arbeitsplatz in der Werkstatt mit Beschäftigten von Meininger Firmen. Der „Schichtwechsel“ hat sich für alle Beteiligten gelohnt, lautete nun das Fazit. Einen Wunsch gibt es aber noch.

 
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Das Helios Klinikum Meiningen beteiligte sich Mitte Oktober am diesjährigen Projekttag Schichtwechsel der Lebenshilfe Südthüringen. Klinikgeschäftsführerin Claudia Holland-Jopp erklärte die Aktion, bei der Menschen mit und ohne Behinderung für einen Tag den Arbeitsplatz tauschen, gleich zur Chefsache. Ein Zeichen für Vielfalt zu setzen und Vorurteile abzubauen, das war ihr wichtig. Sie wechselte selbst in die Kreativwerkstatt der Lebenshilfe Südthüringen. Im Ton- oder Holzbereich gab es für sie viele interessante Tätigkeiten und Produkte zu entdecken. Hergestellt werden in der Kreativwerkstatt vor allem dekorative Dinge wie Blumenstecker oder Weihnachtsbäume aus Ton, die sich als Geschenke eignen und dort erworben werden können.

Im Gegenzug nahm Margrit Gensler im Chefsessel des Meininger Helios Klinikums Platz und schaute, welche Aufgaben eine Geschäftsführerin täglich hat. Trotz ihrer kognitiven Beeinträchtigungen konnte sie sich dort gut in den Büroalltag einbringen. Die Abläufe waren ihr als gelernte Wirtschaftskauffrau vertraut, schilderte Margrit Gensler in der Auswertungsrunde vorigen Donnerstag. Zu der hatten sich alle Beteiligten in der Werkstatt in Dreißigacker versammelt, um ein Fazit zu ziehen.

Vor allem die Teilnehmer aus den Firmen und Einrichtungen der Stadt zeigten sich in ihrem Resümee darüber überrascht, wie professionell Menschen mit Behinderungen arbeiten und welche Top-Qualität sie abliefern. „Viele denken, die Kreativwerkstatt ist eine Bastelbude“, schilderte Christoph Kubald, Geschäftsführer der Lebenshilfe Südthüringen, ein Vorurteil. Dabei seien die gefertigten Holzbrettchen, Vogeltränken oder Ton-Kugeln und anderes mehr richtig gute Dekorationsartikel. Davon hatte sich auch Klinikchefin Claudia Holland-Jopp beim Schichtwechsel überzeugt.

Kurz entschlossen vereinbarten Lebenshilfe und Klinik, im Krankenhaus einen Verkaufsstand mit Produkten der Kreativ-Werkstatt zu integrieren. Einerseits könne man damit der Arbeit von Menschen mit Behinderung Anerkennung verschaffen, andererseits bekämen Patienten und Besuchern ein interessantes Angebot unterbreitet.

Begeistert vom Schichtwechsel war auch Jenny Herbert, die einen Tag lang in der Redaktion von Meininger Tageblatt gearbeitet hatte. Die 36-jährige Mediengestalterin konnte nach einem schweren Verkehrsunfall mit lebensgefährlichen Verletzungen nicht mehr in ihrem Beruf arbeiten. Um so mehr genoss sie den Arbeitsausflug in das Kreisarchiv, den Umgang mit Stift und Kamera. „Als Außenstehender kommt man da gar nicht rein“, schilderte sie den anderen Teilnehmern ihre Eindrücke. Neben Dokumenten entdeckte sie dort sogar ein paar alte Skier, die sie sofort für die Zeitung im Bild festhielt. Im Gegenzug hatte Maximilian Simon von der Redaktion in der Intar-Betriebsstätte für psychisch kranke Menschen in Untermaßfeld Montagearbeiten übernommen. „Eigentlich bin ich gar nicht so viel zum Arbeiten gekommen, denn ich habe mich sehr viel mit den Leuten dort unterhalten.“ Besonders beeindruckt war er indes von der Akribie, mit der die Mitarbeiter in der Untermaßfelder Betriebsstätte ihre Aufgaben erledigten.

Die SPD-Landtagsabgeordnete Janine Merz war wiederum im Außenbereich tätig. Sie mähte mit einem Werkstatt-Team der Lebenshilfe bei einem Gewerbekunden den Rasen des Firmengeländes. „Sie haben meine Hochachtung, wie sie miteinander bei Wind und Wetter unterwegs sind“, sagte sie. Das sei eine körperlich anstrengende Tätigkeit, wenn man am Hang oder bei kaltem Wetter arbeiten müsse. Im Gegenzug war Patrick Abt von der Intar-Betriebsstätte im Büro der Politikerin tätig und verteilte an dem Tag Blumenzwiebeln in Meininger Kindergärten. Der junge Mann, der nur vorsichtig auf Menschen zugeht, stellte sich dabei gern der Herausforderung, wenn ihn ein Knirps beim Pflanzen unvermittelt um Hilfe bat.

Christiane Eck-Meißner, die den Aktionstag Schichtwechsel seitens der Lebenshilfe maßgeblich organisiert hatte, verwies auf den weiterhin bestehenden Bedarf an geschützten Arbeitsplätzen. Generelles Ziel sei es, Menschen mit Handicap wieder in den ersten Arbeitsmarkt zu bringen. Das gelinge aber nicht in jedem Fall, zeigte sie realistisch auf. Daher seien Werkstätten und ähnliche Bereiche eine gute Alternative, damit Menschen mit Einschränkungen dennoch arbeiten und an der Gesellschaft teilhaben können. Vor diesem Hintergrund zeigte sich Christiane Eck-Meißner mit dem Aktionstag zufrieden, weil dieser Verständnis füreinander geschaffen hat. Sie warb dafür, dass sich 2024 noch mehr Firmen daran beteiligen. Am Aktionstag im Oktober hatten die VR-Bank Main-Rhön, die Agentur für Arbeit, das Helios Klinikum, die Stadt Meiningen, das Büro der Abgeordneten Janine Merz und das Meininger Tageblatt teilgenommen.

Für die künftige Arbeit äußerte die Lebenshilfe Südthüringen noch einen Wunsch: Sie braucht für ihre Kreativwerkstatt einen weiteren Brennofen. Spontan spendeten das Helios Klinikum und die VR-Bank Main-Rhön jeweils 1000 Euro. Gemeinsam riefen ihre Geschäftsführer Claudia Holland-Jopp und Markus Merz andere Firmen auf, sich an dieser Aktion zu beteiligen. Diese können sich direkt an die Lebenshilfe wenden.

christiane.eck-meissner@lebenshilfe-suedthueringen.de

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