Bei ihren Untersuchungen fanden die Wissenschaftler mit Hilfe der Genom-Analyse heraus, wer vor mehr als 500 Jahren in Machu Picchu lebte und woher seine Bewohner stammten. Sie waren unterschiedlicher Herkunft und kamen aus weit entfernten Teilen des riesigen Inka-Imperiums, das sich zu seiner Blütezeit im späten 15. Jahrhundert vom Süden Ecuadors über Peru und Teile Boliviens bis in den Norden Chiles erstreckte.
Wiederentdeckt nach 500 Jahren "Dornröschenschlaf“
Am 24. Juli 1911 wurden die Ruinen von einer Expedition ebenfalls der Yale University unter der Leitung von Hiram Bingham durch Zufall wiederentdeckt. Die Siedlung war von dichter Vegetation überwuchert. Doch schon zuvor war ihre Existenz einer Handvoll Personen bekannt.
Bingham war auf der Suche nach der geheimnisumwitterten Inka-Stadt Vilcabamba, die rund 40 Kilometer nordwestlich von Machu Picchu in den Anden liegt. Dorthin hatten sich die letzten der Inkas geflüchtet, nachdem der spanische Konquistador Francisco Pizarro im Jahr 1536 die Hauptstadt ihres Reiches Cusco erobert hatte.
Bingham glaubte Vilcabamba in Machu Picchu gefunden zu haben. Doch tatsächlich wurden die steinerne Relikte von Vilcabamba mit anderen Ruinen aus der Inka-Zeit erst in den 1960er Jahren durch amerikanische Luftbildaufnahmen entdeckt und von darauf folgenden Expeditionen erforscht.
Residenz des Herrschers und Wohnort seiner Diener
„Machu Picchu muss vor allem während der winterlichen Trockenzeit von Mai bis Oktober attraktiv gewesen sein“, erklärt Lucy Salazar. „Der König, seine Familie und Gäste dürften das tropische Klima und die Abwesenheit der für Cusco typischen Nachtfröste genossen haben.“
Während der Inka-Herrscher und sein Hofstaat während der Wintermonate in Machu Picchu weilten, arbeiteten den Rest des Jahres Hunderte von Dienern – sogenannte Yanacona - in den Anlagen, auf den Feldern und Gartenterassen an den steilen Berghängen. Die Yanacona wurden den Inkas häufig als menschliche Tribute aus eroberten Gebieten oder von Angehörigen der herrschenden Eliten geschenkt.
Friedhöfe für einfache Leute
Die Überreste der Dienstboten wurden auf vier Friedhöfen, die am Rand von Machu Picchu lagen, bestattet. „Die einfachen Gräber enthalten manchmal mehrere Tote und liegen in flachen, von großen Felsblöcken bedeckten Gruben im Schutz grober Steinmauern oder unter natürlichen Felsüberhängen“, schreiben die Archäologen in ihrer Studie.
Lucy Salazar und ihr Team haben für ihre insgesamt zwölf Jahre dauernden Forschungsarbeiten die Überreste von 34 Toten aus den vier Grabstätten Machu Picchus genetisch untersucht. Die DNA-Proben verglichen sie mit dem Erbgut von Toten aus dem nahen Urubamba-Tal, aus der Umgebung Cuscos und anderen Landfesteilen Perus.
Kosmopolitische Stadt von Royals und Untertanen
„Unsere Studie konzentriert sich nicht auf das Leben der Royals oder der politischen Eliten, sondern auf die einfachen Menschen, die nach Machu Picchu gebracht wurden, um dem Inka-Adel zu dienen, und die hier lebten und den Palast in Schuss hielten“, erläutert Koautor Lars Fehren-Schmitz von der University of California.
Woher die Yanacona von Machu Picchu stammten, konnten die Forscher ebenfalls mit Hilfe von Genom-Vergleichen herausfinden. „Die DNA-Analysen bestätigen die historischen Überlieferungen, nach denen diese Haushälter aus vielen ethnischen Gruppen stammten, die unter der Herrschaft der Inka standen“, berichtet Koautor Richard Burger von der Yale University. „Die Individuen zeigen genetische Abstammungen, die auf eine Herkunft aus dem gesamten Inka-Reich hindeuten - von der Küste über das Hochland bis nach Amazonien.“
Das alltägliche Leben in der Bergstadt sei, so das Fazit der Archäologen, „offensichtlich nicht von den ethnischen oder regionalen Hintergründen geprägt“ gewesen. „Machu Picchu war eine kosmopolitische Gemeinschaft“, betont Richard Burger, „in der Menschen ganz verschiedener Herkunft lebten, liebten und gemeinsam begraben wurden.“