In Bund-Länder-Konferenzen Ramelow wegen Handyspiels in der Kritik

, aktualisiert am 25.01.2021 - 13:13 Uhr

Kaum ein Ministerpräsident ist in den sozialen Netzwerken so aktiv wie Bodo Ramelow. Nun hat er sich auf einer neuen Plattform einen Auftritt geleistet, der für viele Diskussionen sorgt – und der zu seinem Politikstil passt.

 
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Erfurt – Schon als Bodo Ramelow noch nicht Thüringer Ministerpräsident war, hatte er die sozialen Medien für sich entdeckt. Mit allen ihren Vor- und Nachteilen, mit allen Höhen und Tiefen, die solche eine Entdeckungstour mit sich bringt.
Ein paar Jahre, ehe er Regierungschef des Freistaats wurde, so erzählte der Linke, habe er in seiner ersten Zeit beim Kurznachrichtendienst Twitter einige der ganz großen Fehler gemacht Unter anderem, sagte Ramelow damals, habe er sich in der Twitter-Welt auf schier endlose Diskussionen mit „Trollen“ eingelassen; also mit   Nutzern, die in den sozialen Netzwerken vor allem Hass und Hetze und schlechte Laune verbreiten. Inzwischen ist kaum ein deutscher Ministerpräsidenten im Netz so aktiv wie Ramelow. Vor allem auf Facebook, auf Twitter und mit einem eigenen Online-Tagebuch.

Das bedeutet  allerdings auch: Ramelow hat nicht nur am Anfang seiner digitalen Karriere immer wieder umstrittene Posts und Tweets abgesetzt. Schließlich entspricht  das dem Wesen der sozialen Medien, die maßgeblich von Polarisierung und dem Haschen nach flüchtiger Aufmerksamkeit leben. So umstritten war mancher Tweet und Facebook-Post davon auch in der Folgezeit, und so empfindlich reagiert Ramelow bisweilen auf die entsprechende Kritik, dass er 2018 fast ein MDR-Sommerinterview abbrach, weil die Moderatorin ihn auf einen seiner eher unglücklichen Tweets ansprach.

Nun ist etwas Ähnliches wieder passiert, diesmal auf einer ziemlich neuen Social-Media-Plattform, die Clubhouse heißt. Dort plauderte Ramelow nach dem Bericht der Welt am Wochenende unter anderem über die Corona-Beratungen der Ministerpräsidenten mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Ja, er plauderte, weil man das auf der Plattform so macht, die erst 2020 online ging. Dort wird nicht, wie auf Twitter, geschrieben. Sondern   Leute treffen sich dort in sogenannten Räumen, um miteinander zu reden oder anderen zuzuhören. Eine Art Live-Podcast oder eine Radio-Talkrunde. Vor Publikum, das mithört.
Ramelow, so ist in der Welt zu lesen und Ramelow bestreitet das nicht, erklärt bei dieser Gelegenheit, während der Beratungen zur Coronakrise zwischen Bund und Ländern spiele er manchmal auf dem Handy. Er schaffe  bis zu zehn Level des Handyspiels „Candy Crush“ in einer solchen Beratungsrunde, die zuletzt regelmäßig viele Stunden dauerte. Die Bundeskanzlerin nennt er demnach während der Cloubhouse-Diskussion „das Merkelchen“. In dem Raum, in dem Ramelow das sagt, sollen zeitweise mehr als 1000 Menschen zuhören. Darunter der Ex-Bild-Chefredakteur Kai Diekmann, SPD-Kollegin Manuela Schwesig,  CDU-Jungpolitiker Philip Amthor. Die Stimmung ist locker, Amthor und Ramelow sollen in der virtuellen Runde Lieder gesungen haben, heißt es.

„Ramelow ist ein Zocker“

In den Stunden, nachdem der entsprechende Welt-Text veröffentlicht worden ist, entzündet sich eine heftige Debatte an Ramelows Äußerungen. Natürlich in den sozialen Medien selbst, zum Beispiel bei Twitter. Aber auch auf den klassischen Kanälen, wo ihn die FDP-Landtagsfraktion zum Beispiel per Pressemitteilung kritisiert. Ramelow verbringe seine Zeit während der Beratungen offenbar lieber „mit Daddeln“ als mit dem Zuhören und Mitmachen, ätzt darin deren Parlamentarische Geschäftsführer Robert-Martin Montag. „Der Fall zeigt einmal mehr seine wahre Berufung: Er ist kein guter Ministerpräsident, aber immerhin ein hervorragender Zocker.“
Überrascht, dass die „Welt“ aus der Clubhouse-Runde berichtet, legt  Ramelow am Samstagabend nach. Bis  kurz vor zwei Uhr in der Früh, so berichten Teilnehmer, verteidigt er sich in weiteren Clubhouse-Runden. Bei einer hört auch  der Thüringer CDU-Fraktionschef Mario Voigt zu.

Ansonsten wird im Netz heftig darüber debattiert, ob die Welt überhaupt  berichten durfte oder ob damit die Vertraulichkeit des gesprochenen Wortes verletzt wurde. Ebenso darüber, ob Ramelows Aussagen zum Handyspielen nun zeigen, dass er ganz bodenständig und ehrlich ist – oder ob sie ein Ausweis dafür sind, dass er für das herausgehobene Amt ungeeignet ist, das er bekleidet. Und wie so oft in den sozialen Medien: Ganz viele fühlen sich durch diesen jüngsten Auftritt Ramelows in dem bestätigt, was sie über ihn schon immer gedacht haben.

Diese Art der Vergewisserung muss dabei gar nicht falsch sein, auch wenn es ein Problem ist, dass soziale Medien Filterblasen erzeugen, die das verstärken, was innerhalb derselben schon da ist und ausblenden, dass die  Welt noch viel größer ist.
Denn der Clubhouse-Auftritt von Ramelow ist ein Beispiel par excellence für Ramelows Politikstil als Ministerpräsident. Und für dessen Folgen. Er wird gehasst oder geliebt. Er wird den ganzen Tag von der Polizei begleitet und gibt sich doch ganz nahbar. Er polarisiert und sieht sich doch oft selbst als Opfer dieser Polarisierung. Er will von allen geliebt werden und hat doch Ecken und Kanten, die das unmöglich machen.

Es ist eben kein Zufall, dass Ramelow – kurz nachdem er mit seinen Candy-Crush-Aussagen einen Teil der sozialen Medien in Aufruhr versetzt hat – auf Twitter Fotos des Spiels verbreitet. Und dabei gleich den Grundstein für die nächste Kontroverse liefert. „Es wäre schön, wenn es keine stundenlange Debatten mehr über Pandemieabwehr gäbe“, schreibt Ramelow dort. Dann könnte er das Spiel während langer Autofahrten spielen. Oder er könne dazu „nervige Parteitage nutzen“.

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