Rätsel gelöstSo werden heftige Sonnenstürme entfacht
Markus Brauer 23.05.2024 - 18:42 Uhr
Auf der Oberfläche der Sonne brodelt es derzeit wieder ganz gewaltig. Zuletzt sind mehrfach starke Eruptionen und Sonnenstürme gemessen worden. Doch wo und wie entstehen die solaren Magnetfelder, die dafür verantwortlich sind? Forscher haben jetzt einen neue Theorie entwickelt.
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Die Sonne gehört zur Sternengruppe der Gelben Zwerge mit einem Durchmesser von rund 1,4 Millionen Kilometern - das 109-fache der Erde. Nach unterschiedlichen Berechnungen von Wissenschaftlern wird unser Stern in 5 bis 7,6 Milliarden Jahren untergehen. Bis dahin dürfte für den Menschen also noch genügend Zeit sein, um das Gestirn ausgiebig zu untersuchen.
Wo und wie entstehen Magnetfelder und Aktivitätszyklen der Sonne?
Eines der größten physikalischen Rätsel unserer Sonne scheint jetzt gelöst zu sein. Die jüngsten Sonnenstürmen, die stärksten geomagnetischen Eruptionen seit fast 20 Jahren, haben erneut eindrucksvoll gezeigt, wie aktiv unser Zentralgestirn ist. Doch wo und wie die Magnetfelder und Aktivitätszyklen der Sonne entstehen, war bisher unklar.
„Wir wissen, dass der solare Dynamo wie eine große Uhr mit vielen komplexen, interagierenden Teilen funktioniert“, schreibt ein Forscherteam um Geoffrey Vasil von der University of Edinburgh im Fachmagazin „Nature“. „Aber wir kennen noch nicht alle Teile und wissen nicht, wie sie zusammengehören.“
Bekannt ist, dass schlagartige Änderungen im Magnetfeld Sonnenstürme auslösen. Da die Sonne sich an ihrem Äquator deutlich schneller dreht als an ihren Polen, verdrillt sich ihr Magnetfeld in einem elfjährigen Rhythmus. Es bilden sich eine Art magnetischer Schläuche, die an die Oberfläche durchbrechen können und dort kühle Zonen – die dunklen Sonnenflecken – erzeugen.
Treffen solche Magnetfeld-Schläuche aufeinander, kann es zu einer Art Kurzschluss kommen: Die Feldlinien ordnen sich schlagartig neu und setzen dabei große Mengen an Energie frei. Die Folge: ein koronaler Massenauswurf. Dabei wird elektrisch geladene Materie aus der heißen Sonnenatmosphäre – der Korona – mit hoher Geschwindigkeit ins Weltall hinausgeschleudert.
Die bisherigen astrophysikalischen Theorien gehen von einem solaren Magnet-Dynamo aus, der tief in ihrem Inneren verankert ist. Demzufolge sollen Strömungen in rund 210 000 Kilometer Tiefe die Basis des Sonnenmagnetfelds bilden. „Aber diese globalen Konvektionsmodelle passen oft nicht zu wichtigen Sonnenbeobachtungen und erfordern Bedingungen, die nicht der solaren Realität entsprechen“, erklärt Geoffrey Vasil.
Um das Rätsel der solaren Magnetfelder zu entschlüsseln, haben die Forscher einen anderen Bereich der Sonne in den Blick genommen: die Strömungen in der oberflächennahen Zone, die fünf bis zehn Prozent der Sonne ausmacht. „Wir haben uns gefragt: Gibt es dort Störungen oder winzige Veränderungen im Plasmafluss, die sich so weit verstärken können, dass sie das solare Magnetfeld erzeugen?“, erläutert Koautor Keaton Burns vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) das Vorgehen.
Wie Plasmaeruptionen das Magnetfeld der Sonne intensivieren
Bei ihrer Analyse stießen die Physiker schließlich auf einen Mechanismus, durch den die oberflächennahen Plasmaströmungen in rund 32 000 Kilometer Tiefe komplexe Magnetfelder erzeugen können. Dabei verstärken die unterschiedlich schnell aneinander vorbeiströmenden Plasmamassen das Magnetfeld der Sonne und erzeugen noch weitaus komplexere Magnetfeldstrukturen mit ihren Oszillationen (Schwingungen). Dies wiederum prägt das Auftreten und die Häufigkeit der Sonnenflecken.
Dieses neue Modell könnte die lange gesuchte Verbindung zwischen dem in der Tiefe der Sonne ruhenden Magnet-Dynamo und den an der Sonnenoberfläche beobachteten Strukturen und Prozessen bilden. Burns: „Wir zeigen damit, dass die isolierten Turbulenzen nahe der Sonnenoberfläche mit der Zeit heranwachsen und dann die Magnetstrukturen bilden können, die wir sehen.“
Laut Vasil und seinen Kollegen liefert das Modell komplett neue Einblicke in die Physik der Sonne. „Den Ursprung des solaren Magnetfelds zu verstehen ist seit der Zeit von Galileo Galilei eine offene Frage“, betont Koautor Daniel Lecoanet von der Northwestern University in Illinois. „Unsere Arbeit schlägt nun eine neue Hypothese für die Entstehung des solaren Magnetfelds vor, die besser mit den Sonnenbeobachtungen übereinstimmt.“
Diese Erkenntnisse könnten zudem von großem Nutzen sein, um Sonnenstürme künftig besser vorherzusagen als bisher.