Weimar - Es dauert nicht mehr lange, bis die Beweisaufnahme abgeschlossen wird, als es aus dem angeklagten Polizisten heraus platzt. Er kann einfach nicht mehr an sich halten. „Soll ich mich ausziehen?“, herrscht der Mann die Staatsanwältin an. Die hatte gerade gefordert, dass das Gericht und die Verfahrensbeteiligten die intimen Fotos näher betrachten, die der Mann und eine Frau sich über den Messenger WhatsApp zugeschickt haben sollen. Diese Fotos seien für das Verfahren sehr relevant, weil sie zeigten, welche Beziehung zwischen dem Polizisten und der Frau bestanden habe, argumentiert die Staatsanwältin.
 
Die Fotos werden schließlich nicht näher betrachtet. Eine vernommene Zeugin habe dazu alles Wesentliche gesagt, sagt die Richterin am Donnerstag am Amtsgericht Weimar. Das sei überflüssig. Sein Ausbruch bleibt für den Angeklagten aber trotzdem nicht ohne Folgen.

Es ist Tag zwei in dem Verfahren gegen den 42-jährigen Polizisten, der schon seit Monaten vom Dienst suspendiert ist, nach eigenen Angaben aber trotzdem noch sein Einkommen erhält. Sollte sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer Strafforderung für ihn durchsetzen, wird es damit bald vorbei sein.

Die Staatsanwaltschaft legt dem Mann zur Last, in mehr als 30 Fällen in den Jahren 2017 und 2018 Informationen beispielsweise aus den internen Computersystemen der Polizei an Dritte weitergeleitet zu haben. Dazu, sagen die Ermittler, habe der Mann mit der Frau – mit der er die intimen Fotos ausgetauscht haben soll – über sein privates Handy gechattet. Dabei habe er zum Beispiel Fotos von Computerbildschirmen der Polizei gemacht und verschickt. Die Ermittler glauben, dass der Mann von der Frau, die selbst immer wieder in Konflikt mit dem Gesetz gekommen war, Sex als Gegenleistung für diesen mutmaßlichen Verrat von Dienstgeheimnisse wolle.
 
In einem der Chats soll der Mann an die Frau zum Beispiel geschrieben haben: „Wenn ich dich sehe, geht bei mir alles nach oben.“ Er soll sie auch zum Sex im Streifenwagen aufgefordert haben. Der Beschuldigte verrichtete seinen Dienst damals bei der Polizei in Weimar.
 
Kurz nach dem Ausbruch des Angeklagten sagt die Staatsanwältin, dass sich aus ihrer Sicht in dem Gerichtsverfahren bestätigt hat, was die Ermittlungen schon ergaben – und dass der Mann deshalb zu bestrafen sei. Lange zählt sie auf, welche Strafen sie für die einzelnen Tatvorwürfe verlangt. Dann sagt sie: Alles in allem sei aus ihrer Sicht für den Mann eine Haftstrafe von drei Jahre und sechs Monate angemessen. Das mutmaßliche Verhalten des Polizisten habe das Vertrauen der Allgemeinheit in die Unbestechlichkeit der Polizei stark erschüttert. „Diese Vertrauen wird beschmutzt.“
 
Einen Teil ihrer Strafforderung begründet die Staatsanwältin auch mit dem Auftreten des Angeklagten vor Gericht. Sein Verhalten im Saal habe immer wieder deutlich gemacht, dass er für seine mutmaßlichen Taten keine Reue zeige. Stattdessen habe er sich „extremst uneinsichtig“ gezeigt, Respekt gegenüber den Verfahrensbeteiligten und Zeugen vermissen lassen.
 
Sollte der Mann zu einer solch hohen Haftstrafe verurteilt werden, würde er auch aus dem Polizeidienst entlassen. Eine solche Haftstrafe ließe sich auch nicht zur Bewährung aussetzen, er müsste in Haft. Das Urteil in dem Prozess soll in der kommenden Woche verkündet werden.

Der Verteidiger sieht die Sache freilich ganz anders als die Staatsanwältin. Deren Darstellung weist er zurück und verlangte einen Freispruch für seinen Mandanten. „Ich bin fassungslos über diesen Antrag der Staatsanwaltschaft“, sagt der Anwalt zu der Forderung der Staatsanwältin nach der hohen Haftstrafe.

Er argumentierte, sein Mandant habe das getan, was bei der Polizei üblich sei – er habe von einer Informantin beziehungsweise Tippgeberin Sachverhalte zu Ermittlungsverfahren in Erfahrung gebracht. „Natürlich nutzt man dazu jemanden auch, das macht jeder Ermittler“, sagte der Anwalt. Anders sei keine Ermittlung zu führen. Allerdings widersprechen nicht nur an diesem Tag andere, als Zeugen vernommene Polizisten dieser Darstellung.

Auch dass der Polizist und die Frau sich auch intime Bilder hin und her geschickt hätten, sei normal, sagt der Anwalt. So etwa werde „tagtäglich verschickt“. Gleichzeitig verstrickt er sich noch in eine Tirade gegen die Politik. „Jeder von unseren Politikern muss eigentlich durchleuchtet sein, die machen nur Vorteilsnahme“, sagt er.

Schon beim Prozessauftakt hatte der Verteidiger argumentiert, sein Mandant habe sich korrekt verhalten. Dass er Informationen der Polizei weitergegeben habe, sei „rechtmäßiges Polizeiverhalten“ gewesen, sagte der Anwalt. Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft hatte diese Einschätzung schon damals scharf zurückgewiesen.