Vorfreude ist die schönste Freude. Man soll die Feste feiern, wie sie fallen. Alles zu seiner Zeit. Solche Sinnsprüche werden im Glühwein ertränkt, sobald das Thermometer unter 15 Grad sinkt. Die ersten Lebkuchen stehen im Oktober in den Supermarktregalen, Whams „Last Christmas“ dudelt von November an im Radio, und selbst Omas Selbstgebackenes wird spätestens Anfang Dezember aufgefuttert. Ursprünglich war der Advent eine Fastenzeit!
Es ist uns der Sinn fürs richtige Timing abhanden gekommen. Dabei ist die Vermittlung von Geduld eine zentrale Erziehungsaufgabe. Wer als Kind zu warten gelernt hat, so hat ein Test ergeben, ist besser in der Schule, entwickelt mehr Empathie und Frustresistenz im Leben und wird ein zufriedener Erwachsener. Aber heute will keiner mehr aufs Christkind warten.
Wenn Bayerns Regierungschef Markus Söder (CSU) gegen eine Hamburger Kita poltert, weil sie in der Adventszeit keinen Weihnachtsbaum aufstellt, fühlt er sich als Verteidiger des christlichen Abendlands. Dabei beweist er damit nur seine eigene Kulturvergessenheit. Der Christbaum gehört nicht zum Advent, der gehört zu Weihnachten. Deshalb wird er frühestens am 23. Dezember aufgestellt – und keinen Tag früher!