Micha Ebeling präsentierte zwei sehr direkte, auch mal im Derben provozierende Texte. Einen „Roadmovie“ über eine dienstliche Reise nach Marburg. Zur „Geisel der Menschheit“ (ironisch Bezug nehmend auf Michael Steins „Gebet gegen die Arbeit“) wurde bei ihm so manches: vom Stau über die Milch bis hin zur Zeit. Sehr bildreich beschrieben seine Worte selbst unangenehmste Details. Sein Finaltext schilderte schließlich seine Unterhaltungen zu Klassentreffen, bei denen er seinen Beruf erklären sollte. Da der Alkohol die Fantasie beflügelte und ihm die Wahrheit sowieso keiner glaubte, wurde er dort zum Tatortreiniger, Pornodarsteller oder V-Mann der rechten Szene – in der er heimlich mit Beate Zschäpe verlobt war.
Kaddi Cutz reflektierte zunächst im ironischen Ton darüber „Was ich nicht bin“ und in der zweiten Runde über ihre Beziehung zu Sören, dem „Experten des entschleunigten Denkens“. Im Finaltext wiederum fand sie im Dunkel des Abends sehr nachdenklich stimmende Worte auf der Open-Air Bühne zum Thema „Im falschen Film“. Wenn in Situationen alles nur schöner Schein ist. Wenn nur hilflos gestammelt wird, weil sie den Text nicht kennt und eine Fassade aufbaut, „Schicht für Schicht“, die allmählich bröckelt. „Mittendrin du als Antagonist.“ Aber auch in diesen Gedanken findet sich ihr zum Lachen zwingender Zynismus, wenn sie bekennt: „Bist kein Stuhl, musst nicht mit jedem Arsch auskommen“.
Gleichfalls ernste Themen in Versform verarbeitete Eva Stützer mit ihrem zunächst so sinnlich beginnenden Text: „Oh, ihr schmackhaften Schlemmerhappen...“. Doch beim kulinarischen Genuss blieb es nicht, es folgte die Wende zum „Konzern“, der Betrug in Tüten verkauft, Diabetes und Krebs so lecker macht, und die Unwissenheit und Gleichgültigkeit der Leute als Umsatzpotenzial erkannt hat.
Wolf Hogekamp ließ in seinem Frühlingsgedicht die Zuhörer nicht nur mitlachen, sondern gleich noch mitsprechen – einem ganz desinteressierten, gelangweiltem, fast nicht anwesenden „Aha“ als Antwort auf sein enthusiastisches „Aber ja!“ zu den Zeilen: „Spürt ihr die Sonne, spürt ihr den Frühling“. In der ersten Runde brachte er einen erfindungsreichen dystopischen Text mit den Tagesthemen vom 10. Juni 2031 zu Gehör. Die D-Mark ist dann wieder eingeführt, es gibt 7-lagiges Klopapier und ja, es gibt auch noch Kultur. Außerdem sind die Wartezeiten an den Grenzen lang, nach Österreich 18 Stunden.
Fernab von düster-ironischen Zukunftsvisionen sorgte Volker Surmann für reichlich lautstarke Begeisterung im Publikum, indem er das sonst wohl eher unbeliebte Thema Pandemie mit der Fußball EM kommunikativ geschickt verband. In der Manier eines Fußball-Kommentators mimte er eine Konferenzschaltung der Virologen. Drosten: „...bei dem die Linie nicht immer ganz klar ist...“, aber „...persönliche Anekdoten, das kann er“. Daneben kamen natürlich auch Anne Will, Alexander Kekoulé („in der Abstiegsliga“), Heiner Lauterbach („in seinen besten Zeiten in drei Talkshows gleichzeitig“) und alle anderen zur Sprache. „Die dritte Welle macht Laola.“ Und vorausblickend ist laut Halbzeitberichterstatter Surmann die Schlussphase der Pandemie dann in drei bis elf Monaten zu erwarten.
In aller Bescheidenheit verriet der Autor und Verleger, dass er eigentlich keine Fantasie hat, sondern nur mitschreibt. Das aber so pointiert, dass sein Text über das „unerwartete Bekenntnis eines langweiligen Mannes“ das Publikum in Tränen lachen ließ: Der Mann im Zug, der zum ersten Mal mit der Bahn fährt und nach langweilig-nervösen Smalltalk im Großraumabteil mit dem völlig zusammenhanglosen Satz: „Ich befriedige mich auch gelegentlich selbst“ dem „Universum Schluckauf“ beschert. Surmann machte sich so seinen Gedanken, wie man mit dieser Aussage umgeht? Umlenken: „Ich gehe gelegentlich auch in den Zoo“. Oder Konversation über Details, Konfrontation?
Kleine, unbedeutende Alltagsbegebenheiten, Nachrichten, Gedanken, Ereignisse fanden sich in den „zuschlagenden, knallenden“ Texten der fünf Slammer. Gefeiert wurden sie alle.
Daher, so warb Felix Römer gerne noch einmal, unbedingt die Bücher kaufen, denn Geschenke braucht man immer: „Nur noch zwei Mal Lockdown und dann ist schon wieder Weihnachten!“.