Osterbräuche aus aller Welt Warum in El Salvador Teufel öffentlich Sünder auspeitschen

Markus Brauer
Von wegen, es tut nicht weh: Dieser „Sünder“ schreit vor Schmerzen, als ihn ein „Teufel“ in Texistepeque voll mit der Peitsch erwischt. Foto: Imago/Zuma Wire

Teufelsaustreibung à la El Salvador: Zum Auftakt der Karwoche werden in der Stadt Texistepeque seit Jahrhunderten „Sünder“ von „Teufel“ ausgepeitscht. Wir erklären, was es mit diesem Brauch auf sich hat, wer oder was hinter dem Bösen, dem Teufel steckt und wozu ein Exorzismus dienen soll.

 
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Als Teufel verkleidete Männer haben in El Salvador vermeintliche Sünder ausgepeitscht. Die jahrhundertealte Tradition zum Auftakt der Karwoche zog in der Stadt Texistepeque im Nordwesten des zentralamerikanischen Landes am Montag (26. März) zahlreiche Schaulustige an.

Während sich viele Menschen in umliegenden Geschäften in Sicherheit brachten, blieben andere Gläubige ganz ruhig auf dem Platz stehen und ließen die Peitschenhiebe lächelnd über sich ergehen.

„Für alle meine Sünden gesühnt“

„Es war ein einzigartiges Erlebnis“, sagte der 40-jährige Carlos Ochoa, der für die Auspeitschung fast 100 Kilometer zurückgelegt hatte. Es sei sehr aufregend, „an diesem großartigen Ereignis teilgenommen und für alle meine Sünden gesühnt zu haben“.

Den 20-jährigen Kevin Salguero, der als Teufel verkleidet war, fasziniert nach eigenen Worten vor allem die „Botschaft, dass das Gute immer über das Böse siegen wird“.

Tradition aus der spanischen Kolonialzeit

Die Tradition geht auf die spanische Kolonialzeit zurück, als Indigenen biblische Geschichten bildlich dargestellt wurden. Die Rituale der „Talciguines“-Feierlichkeiten sollen den Kampf zwischen dem Teufel und Jesus während dessen 40-tägigem Fasten in der Wüste darstellen (Matthäusevangelium, Kapitel 4, Verse 1-11).

„Wir lassen diese Tradition nicht sterben“, erklärte der 24-jährige Mauricio Avalos, der seit fünf Jahren einen der Teufel spielt. Die Plätze sind begehrt und werden meist nur neu vergeben, wenn ein Teilnehmer stirbt oder wegzieht. Frauen können nicht teilnehmen. Die Auspeitschung endet mit der Ankunft von Jesus – in diesem Jahr gespielt von dem 23-jährigen Fußballspieler Elmer Sandoval.

Dieses Ritual der „Talciguines“-Feierlichkeiten soll den Kampf zwischen dem Teufel und Jesus darstellen. Foto: AFP/Marvi Recinos
Ein weiteres Ritual: Ein als Jesus verkleideter Mann . . .   Foto: AFP/Marvin Recinos
. . . läuft über eine Reihe von nebeneinanderliegenden Teufeln. Foto: Imago/Zuma Wire
Die Tradition geht auf die spanische Kolonialzeit zurück, als Indigenen biblische Geschichten bildlich dargestellt wurden. Foto: AFP/Marvin Recinos
Die Plätze sind begehrt und werden meist nur neu vergeben, wenn ein Teilnehmer stirbt oder wegzieht. Foto: AFP/Marvin Recinos
Die Auspeitschung endet mit der Ankunft von Jesus – in diesem Jahr gespielt von dem 23-jährigen Fußballspieler Elmer Sandoval. Foto: AFP/Marvin Recinos

Wer oder was ist der Teufel?

Ein Teufel bei der „Arbeit“ in der Hölle: Fresko aus einer Kapelle im Dom von Florenz. Foto: Imago/Dreamstime

Der Teufel: Das ist der Diabolos, der Verwirrer, Faktenverdreher, der Zerwürfnis stiftet, verleumdet und zum Schlechten anstiftet. In vielen Religionen ist er ein eigenständiges, übernatürliches Wesen.

Im Christentum und Islam ist er die Personifizierung des Bösen, der Fürst der Finsternis, die Quelle aller Niedertracht und alles Schlechten. Ein Wesen, das als Engel mit schwarzen Flügeln oder als Junker mit Pferdefuß in Erscheinung tritt. Im Buddhismus heißt er Mara oder Devadatta und ist ein Dämonenwesen.

Über Satan heißt es im Katechismus der katholischen Kirche: „Die Schrift bezeugt den unheilvollen Einfluss dessen, den Jesus den ,Mörder von Anfang an‘ nennt (Johannes-Evangelium 8,44) und der sogar versucht hat, Jesus von seiner vom Vater erhaltenen Sendung abzubringen. ‚Der Sohn Gottes aber ist erschienen, um die Werke des Teufels zu zerstören‘ (Erster Johannesbrief 3,8). Das verhängnisvollste dieser Werke war die lügnerische Verführung, die den Menschen dazu gebracht hat, Gott nicht zu gehorchen.“

Satan – der gestürzte Engel

„Satans Flug über das Chaos“: Zeichnung von Gustave Doré (1832- 1883, um 1870). Foto: Imago/Artokoloro

Allerdings ist der christlichen Tradition zufolge auch Satans Macht begrenzt. Denn er ist bloß ein Geschöpf. Ein mächtiger Engel zwar, aber gefallen und hinabgestürzt in das Reich der Finsternis, weil er sich gegen Gott auflehnte und deshalb von ihm verstoßen wurde.

Ständig strebt er danach, das Reich Gottes, dessen Kommen Jesus von Nazareth angekündigt hat, zu verhindern. Doch auch wenn sein boshaftes Tun die Welt in Chaos und Unfrieden stürzt, kann er die Heilsgeschichte nicht aufhalten.

Die Hölle – Ort der Verdammten?

Die Hölle ist in der Bibel das finstere Reich des Teufels und der von Gott getrennten Toten (Hiob 1, 9), der Ort des endzeitlichen Strafgerichts (2. Buch der Könige, Kapitel 23, 10), wo die Menschen für ihre Sünden ewig büßen müssen.

Höllenqualen: Schnitzerei aus einer Kirche in Frankreich. Foto: Imago/UIG

Doch gibt es überhaupt einen solchen Ort, wo die Sünder Höllenqualen erleiden und kleine und große Teufel fürs Drangsalieren zuständig sind? Die moderne Theologie verneint dies. Sie hat die Hölle in das Reich der Fabeln und Legenden verlegt. Die Verdammnis ist zu einer „Existenzform des Menschen“ erklärt worden, „in der er unter dem Schmerz leidet, auf Gott verzichten zu müssen“.

Die katholische Kirche definiert Hölle als „Reinigungszustand“. Papst Johannes Paul II. (1920–2005) erklärte: „Die Hölle meint nicht so sehr einen bestimmten Ort, sondern vielmehr die Situation dessen, der sich frei und endgültig von Gott entfernt hat.“

Himmel, Hölle und Fegefeuer sind folglich keine realen Orte auf der irdischen oder kosmischen Landkarte, keine Topografien des Jenseits. Sie sind vielmehr Zustände der absoluten Nähe und Ferne Gottes, Situationen des Gott-Verlusts.

Teufelsaustreibung in aller Welt

Exorzismus-Ritual in Äthiopien im Jahr 2014. Foto: Imago/CTK Photo

Unter Exorzismus wird in vielen Religionen die rituelle Vertreibung böser Mächte oder Geister aus Menschen, Tieren oder Gegenständen verstanden. In der katholischen Kirche war der Exorzismus von „Besessenen“ im Mittelalter gang und gäbe. Heute unterliegt er sehr strengen Auflagen.

Zum Exorzismus (griechisch: exorkismós, das Hinausbeschwören) gehören in der katholischen Kirche das Besprengen mit Weihwasser, die Anrufung Gottes und das Handauflegen.

Gemäß den kirchlichen Regularien darf die „Teufelsaustreibung“ nur nach ausdrücklicher Genehmigung des Ortsbischofs durch einen fachkundigen Priester - einen sogenannten Exorzisten - vorgenommen werden, „der sich durch Frömmigkeit, Wissen, Klugheit und untadeligen Lebenswandel auszeichnet“. Zuvor müssen alle medizinischen oder psychiatrischen Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft sein.

Exorzismus in Spanien im Jahr 1878, nach einer Zeichnung von Serafin Martinez del Rincon.  Foto: Imago/UIG

Geisteskrankheit oder Besessenheit?

Wo der Exorzist den Teufel sieht, diagnostiziert der Mediziner eine Geisteskrankheit, die nicht mit Hilfe von Gebeten und Beschwörungsformeln geheilt werden kann. Der Exorzismus, warnen Psychiater, kann zu einer Traumatisierung führen und dadurch zu einer Verschlechterung der Erkrankung.

Offiziell wird der „Große Exorzismus“ in der katholischen Kirche in Deutschland seit dem Jahr 1976 nicht mehr praktiziert. Damals war in Franken die Studentin Anneliese Michel an Entkräftung und Unterernährung gestorben. Nach 67-facher Teufelsaustreibung wog sie nur noch 31 Kilogramm.

Anneliese Michel (1952-1976, kleines Bild, mit den Eltern Josef und Anna Michel während der Gerichtsverhandlung) war eine deutsche Studentin der Religionspädagogik, die an den Folgen extremer Unterernährung starb. Große Aufmerksamkeit erregte der Todesfall, weil in den Monaten vor ihrem Tod zwei katholische Priester 67-mal den großen Exorzismus an ihr vollzogen hatten. Foto: Imago/Zuma/Keystone

Anders als in Deutschland ist der Dämonenglaube etwa in Italien, Frankreich, Lateinamerika, Asien oder Afrika noch tief in der Volksreligiosität verwurzelt. Auch in evangelikal-charismatischen und pfingstlerischen Gemeinden spielt Besessenheit eine wichtige Rolle. Der „Befreiungsdienst“ gehört dort zum kirchlichen "Alltagsgeschäft".

So läuft ein kirchliches Exorzismus-Ritual ab

  • Anzeichen: Es gibt „Anzeichen“, an denen ein Priester erkennen kann, ob Satan von einer Seele Besitz ergriffen hat: beispielsweise das Sprechen fremder, dem Besessenen unbekannter Sprachen, unnatürliche körperliche Kraft oder abgrundtiefe Abneigung gegen Gott.
  • Ablauf: Der Priester besprengt den „Besessenen“ mit Weihwasser, legt ihm die Hände auf, betet und liest aus der Bibel. Dann bittet er Gott um Befreiung vom Bösen und befiehlt dem Teufel, den Besessenen zu verlassen.
  • Dämonen: Im Katechismus der katholischen Kirche heißt es: Der Exorzismus diene dazu, „Dämonen auszutreiben oder vom Einfluss von Dämonen zu befreien, und zwar kraft der geistigen Autorität, die Jesus seiner Kirche anvertraut hat“. Der Hauptdämon sei ein „gefallener Engel, der Satan oder Teufel genannt wird“.

Das Böse – eine Glaubenswahrheit

„Die Versuchung Christi“: Gemälde Ary Scheffer, 1860. Foto: Imago/Le Pictorium

Für die katholische Kirche ist die Existenz des Bösen eine Glaubenswahrheit. Das Rüstzeug, mit dem Priester dem Bösen zu Leibe rücken, heißt offiziell „Großer Exorzismus“. Im Jahr 1614 wurde sein Ablauf in dem liturgischen Buch „Rituale Romanum“ geregelt.

Am 1. Oktober 1998 approbierte Papst Johannes Paul II. einen neuen Exorzismusritus, ein Ritual für einen Gottesdienst für einen Menschen, der sich von der Macht des Bösen in besonderer Weise betroffen fühlt. Die überarbeitete Version von 1999 trägt den Titel „De exorcismis et supplicationibus quibusdam“ („Über die Exorzismen und Bittgebete, die sich darauf beziehen“).

Damit hält die römisch-katholische Kirche zwar weiterhin an der Möglichkeit der Besessenheit und dem Glauben an die Existenz dämonischer Mächte fest. Doch steht nun die therapeutische Seite des Exorzismus im Vordergrund. Der Exorzismus soll als Element ganzheitlicher, heilender Seelsorge integriert werden.

In verschiedenen christlichen Kirchen, vor allem in evangelikalen und charismatischen Gemeinden sind zudem „Befreiungsdienste“ entstanden, die sich eine ähnliche Aufgabe gestellt haben (mit AFP-Agenturmaterial).

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