Neuer „Tatort“ aus Münster Magic Mom: Tod unter Influencerinnen

Hass und Intrigen unter jungen Müttern: Im Münster-„Tatort“ geht es um Geschlechterrollen - und die hässlichen Seiten von Social Media. Boerne und Thiel tauchen in die Welt der „Momfluencerinnen“ ein.

 
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Ein farbloser Wohnklotz mitten in einem Neubaugebiet. Die Kamera schwenkt durch das Wohnzimmer und zeigt Ordnung, Sauberkeit, viel Weiß. Nur Hausbesitzerin Evita Vogt stört den Anblick - denn die hängt an einem Stromkabel von der Decke. Und lässt schon bald das „Tatort“-Team aus Münster über ihren Tod rätseln.

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In „MagicMom“ am Sonntag um 20.15 Uhr im Ersten werden Kommissar Frank Thiel (Axel Prahl) und Professor Karl Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) mit einer für sie fremden Welt konfrontiert. Denn die Tote (Laura Louisa Garde) war eine sogenannte Momfluencerin. Als „MagicMom“ hatte Vogt ihren Vorstadt-Alltag mit Mann, Kindern und luxuriösem Haus dokumentiert. Und hatte mit ihren Fotos und Videos von vielen Seiten Hass auf sich gezogen, wie Witwer Moritz Vogt (Golo Euler) zu erzählen weiß: „Die Menschen sind im Netz nicht sie selbst. Oder eigentlich sind sie viel zu sehr sie selbst.“

Schnell wird aber klar: Verletzende Kommentare haben Evita Vogt nicht in den Suizid getrieben. Vielmehr war sie schon tot, bevor sie am Kabel aufgehängt wurde. Während Boerne über der genauen Todesursache grübelt und sich dabei mit der unzuverlässigen Medizinstudentin - und großen „MagicMom“-Anhängerin - Emmalotta Suhr (Yvonne Pferrer) herumschlägt, beginnt Thiel mit den Ermittlungen. 630 000 Menschen folgen den Erlebnissen von „MagicMom“ im Internet. „Zweimal die Einwohnerzahl von Münster“, stellt der Kommissar entnervt fest und gibt die Suche im Netz vorerst an seinen Assistenten Mirko Schrader (Björn Meyer) ab.

An Verdächtigen mangelt es schließlich auch offline nicht. Da wären zum Beispiel eine eifersüchtige Nachbarin und eine weitere Influencerin, die als „BusyBine“ ihr Glück im Netz versucht. Die Ermittlungen unter erfolgreichen Frauen bringen dabei für Thiel und Boerne zunehmend das männliche Selbstverständnis ins Wanken.

Dazu passt, dass Staatsanwältin Klemm (Mechthild Großmann) eine neue Stelle für eine Sensibilitätsbeauftragte schaffen will. Auf die spekuliert Boernes Assistentin Silke Haller (ChrisTine Urspruch) und droht ihrem Chef: „Wenn ich Sensibilitätsbeauftragte werde, dann werden Sie am Aasee Müll sammeln - auf Stilettos!“

Influencer-Dasein und den Voyeurismus sozialer Medien greift Regisseurin Michaela Kezele auch in ihrer Inszenierung auf. Immer wieder tauchen zusätzliche Kameras auf, aus deren Perspektiven die Zuschauer das Geschehen betrachten können: Handys, Camcorder und sogar Überwachungskameras liefern Aufnahmen. Dazwischen blendet der Film auch vertikale Videoclips ein, die Ästhetik von Plattformen wie Instagram und Tiktok nachempfunden sind. In kurzen Erklärfilmen wendet sich Professor Boerne so mitunter direkt an das TV-Publikum.

Bei allen Kommentaren zu neuen Geschlechterrollen: Zur Lösung des Falls führt dann doch wieder das altbewährte Gerangel der ungleichen Ermittler. Oder wie der Professor festhält: „Ich brauche keine neue Männlichkeit. Ich bin mit meiner alten mehr als zufrieden.“