Neue Technologien auf dem Vormarsch Vom Spielzeug- zum Wasserstoff-Leuchtturm?

Von Cathrin Nicolai
Über den Einsatz von Wasserstoff an der Kläranlage in Heubisch klärt Bernd Hubner auf. Foto: / Zitzmann

Sonneberg hat jetzt ein Institut für angewandte Wasserstoffforschung. Hier sollen alle mögliche Projekte untersucht werden, um so die Lücke zwischen Theorie und praktischer Anwendung in der Wirtschaft zu schließen.

 
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Sonneberg - Seit 2014 beschäftigen sich einige Protagonisten aus den verschiedensten Bereichen mit dem Thema Wasserstoff. Inzwischen hat man schon einiges erreicht: Einen Wasserstoff-Elektrolysator entwickelt, das Projekt H2O erfolgreich im Wir-Programm der Bundesregierung etabliert und den Verein HySon gegründet. Jetzt konnte man den nächsten Schritt machen und zwar ein Forschungsinstitut gründen. Das ist offiziell am 10. Februar passiert. Die ersten sieben Wissenschaftler und Ingenieure sind eingestellt und ein Firmensitz gefunden. Zunächst nutzt man dafür ehemalige Geschäftsräume am Piko-Platz, aber noch in diesem Jahr möchte man in die IHK-Niederlassung Sonneberg ziehen. Geht alles gut, ist außerdem ein neues Gebäude geplant, das auf dem ehemalige Gelände des Güterbahnhofs entstehen soll. Aber da sind alle Beteiligten optimistisch, ist doch wie es IHK-Präsident Peter Traut in einer Video-Pressekonferenz formulierte, ein ganz besonderer Meilenstein nicht nur für die Wasserstoff-Enthusiasten, sondern auch für die Kammer, die Stadt und die gesamte Region.

Angefangen, so erinnert Wasserwerkleiter Bernd Hubner, hat alles mit der Firma Kumatec aus Neuhaus-Schierschnitz und ihrem Projekt „lohalhy“. „Dabei ging es um die Entwicklung und Umsetzung des Wasserelektrolyse-Systems auf der Kläranlage“, erinnert er. Ende vergangenen Jahres konnte man es erfolgreich abschließen und mit einer neu entwickelten Tankstelle brennstoffzellenangetriebene Fahrzeuge mit Wasserstoff betanken oder mittels eines neuartigen Kreislaufverbrennungsmotors zurückverstromen. Einmal „Blut geleckt“ musste man einfach weitermachen. „Da müssen wir dran bleiben und weitermachen“, stand für alle fest.

Der nächste Schritt folgte mit dem H2Well-Bündnis. Auch hier war die Firma Kumatec Initiator. Gemeinsam mit der Bauhaus Universität Weimar und der Solarinput e.V. aus Erfurt entwickelten sie das Projekt und bewarben sich beim WIR! - Programm des Bundes. Passend, fand man, denn WIR! steht für „Wandel durch Innovation in der Region. Man hatte Glück, wurde ausgewählt und darf sich in einer ersten Phase über 7,5 Millionen Euro freuen. „Wir hoffen, dass es auch mit der Phase 2 so gut läuft“, sagt Bernd Hubner. Nach dieser weiteren Etappe entschloss man, sich einen Förderverein zu gründen. Im Herbst 2018 gemeistert, stand für HySon e.V. von Anfang an fest, dass man für das weitere Vorankommen ein Forschungsinstitut braucht. „Das ist die Voraussetzung, um den Wasserstofftechnologien tatsächlich zum Durchbruch zu verhelfen und gleichzeitig einen regionalen Ansprechpartner für Wasserstoffnutzung und Wasserstofftechnologien sowohl für die Wirtschaft Südthüringens und Kommunen zu haben“, begründet Bernd Hubner und verweist darauf, dass es nun gelte, in vielen Bereichen die Lücke zwischen Forschung und Anwendung zu schließen. Konkret spricht er dabei den Übergang vom Prototypenbau zur Serienfertigung an. „Jetzt ist es soweit, wir haben dieses Institut am 10. Februar als gegründet“, freut sich nicht nur Bernd Hubner.

Direktor dieser neuen Einrichtung ist Ulrich Palzer. 15 Jahre bereits als Leiter eines Instituts in Weimar tätig, kennt er sich mit dieser Arbeit aus und möchte, wie er selber sagt, seine Erfahrungen und Kenntnisse für die Entwicklung der Wasserstofftechnologie im Sonneberger Raum zur Verfügung stellen. Dankbar ist er, dass auch das Land das Potenzial erkannt habe und das Vorhaben für die nächsten drei Jahre mit drei Millionen Euro unterstützt. „Damit haben wir eine gute Grundlage für den Aufbau“, sagt er und freut sich mit allen Beteiligten, dass nicht alles nun mehr eine Vision ist. Aber man werde künftig noch weitere Unterstützung benötigen. So beispielsweise vom Landratsamt für den Neubau eines Firmengebäudes mit Laboren und Technikräumen, bei man in einem ersten Bauabschnitt sechs Millionen Euro investieren wird. Geplant ist, dafür im August dieses Jahres den ersten Spatenstich zu vollziehen. Weitere Hilfe erhofft man sich von Bund und Land, ist doch gerade das Thema Wasserstoff ein wichtiger Baustein bei der Meisterung des Klimawandels. Froh ist nicht nur der Direktor, dass man auch die IHK mit ins Boot nehmen konnte.

Deren Geschäftsführer Ralf Pieterwas erinnerte daran, dass es schon seit 15 Jahren einen Beschluss gebe, eine weitere akademische Einrichtung im Kammerbezirk und ganz konkret in Sonneberg anzusiedeln. „Auch für uns wird also mit dem neuen Institut eine Vision wahr“, schätzt Ralf Pieterwas ein. Als Vereinsmitglied von HySon möchte man sich hauptsächlich in die Aus- und Weiterbildung einbringen. „Die neuen Techniken müssen später ja auch beherrscht werden“, begründet er. Gemeinsam mit der Berufsschule wird man deshalb ein Pilotprojekt starten, bei dem es darum geht, die Ausbildungsberufe wie Elektroniker für Betriebstechnik, Energie- und Gebäudetechniker, Mechatroniker oder Kfz-Mechatroniker um das Thema Wasserstoff zu erweitern. Daneben denkt man über eine zusätzliche Qualifikation nach. „Und vielleicht gibt es schon bald einen neuen Beruf Wasserstofftechniker“, blickt Pieterwas voraus und ist stolz, dass man innerhalb der Thüringen IHK’s die Federführung für die Wasserstofftechnologie übernommen hat. „Wir stehen fest in der Seite und freuen und, dass das Institut in unserem Kammerbezirk angesiedelt wird“, sagt der Geschäftsführer abschließend.

„Für Innovationen und Visionen sind die Sonneberger schon immer bekannt gewesen“, sagt Bürgermeister Heiko Voigt und erinnert daran, dass man mit herausragenden Ideen auf dem Spielzeugmarkt einmal Weltspielwarenstadt gewesen ist. Jetzt ist es ein anderes Thema, aber für die Zukunft unheimlich wichtig. „Vielleicht werden wir nach dem Spielzeug- jetzt der Wasserstoff-Leuchtturm“, blickt er voraus. Der Anfang sei auf jeden Fall gemacht und von Seiten der Stadt werde man das Vorhaben mit allen Mitteln und Möglichkeiten unterstützen. Erst vergangene Woche habe man im Stadtrat beschlossen, dem Verein HySon beizutreten. „Dank des vielseitigen Engagements aus Wirtschaft, Forschung und Bildung gewinnt Sonneberg eine zentrale Bedeutung in der Wasserstoffwirtschaft Thüringens“, freut sich nicht nur Heiko Voigt und ist sich sicher, dass die Gründung des Instituts ein wichtiger Meilenstein im nationalen und internationalen Wettbewerb um Wasserstofftechnologien und ihre Anwendungen ist. Als Stadt bringe man sich dafür gerne mit ein, denn jetzt gilt es zu testen, wie man Wasserstoff in das normale Leben einbringen kann. Bereits nächste Woche startet in unserem Rathaus eine Wasserstoff-Anwendung“, verrät er. Dabei geht es konkret um die Versorgung mit Wärme und Strom mittels Wasserstoff.

Und das ist nur ein Beispiel der künftigen Arbeit. „Wir werden eine Vielzahl von Studien starten, um herauszufinden, wo man Wasserstoff überall einsetzen kann“, erklärt Ulrich Palzer. Als Beispiele nennt er Drohnen oder kleinere Arbeitsmaschinen. Aber auch die Notwendigkeit, Wasserstoff in steigenden Mengen zu lagern, zu speichern und zu transportieren, müsse man prüfen und anwenderfreundliche Lösungen finden.

„Wasserstoff gehört zu einem der Brennstoffe der Zukunft und keineswegs nur im Bereich der Mobilität“, schätzt Peter Traut abschließend ein. Neben dem Schwerlast- und dem öffentlichen Personennahverkehr gewinne dieser Rohstoff jedoch gerade in der Industrie immer mehr an Bedeutung. „Überall da, wo man Wärme benötigt, kann man Wasserstoff einsetzen“, macht der Kammerpräsident deutlich. Aber leider ist Wasserstoff heute noch zu teuer und Gas zu billig. Aber man wird dran bleiben und alles dafür tun, dass sich die Wasserstofftechnologien durchsetzen. Was man da konkret vor hat, möchte man auch dem Wasserstoffbeauftragten der Bundesregierung Stefan Kaufmann erläutern, der sich am 31. März über die Wasserstoffaktivitäten in und um Sonneberg informiert.

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