Nicht viel besser fällt sein Urteil für den Südlink aus, der von Schleswig-Holstein durch Südwest-Thüringen nach Bayern verlaufen soll. Auch dieser erfülle nur in einem einzigen von den Netzbetreibern aufgestellten Szenario die Anforderungen an eine Kosten-Nutzen-Analyse. Für die in Westdeutschland geplante Trasse Ultranet fehle diese Analyse bislang ganz, kritisierte der Wissenschaftler.
Die Netzbetreiber hätten dieses Kostenproblem inzwischen erkannt. Es sei aber auch einer der Geburtsfehler des Netzausbaus in Deutschland: Der Netzentwicklungsplan sehe eine Betrachtung der Kosten nicht vor. Jetzt, wo dieses Problem offensichtlich werde, würden die Netzbetreiber auf die Redispatch-Kosten verweisen, die sich durch die neuen Leitungen angeblich einsparen ließen. Also die Kosten, die dann entstehen, wenn Kraftwerke abgeregelt werden müssen, weil zu viel Strom zur Verfügung steht. Diese Kosten ließen sich aber durch eine einfache Limitierung der Strommenge erzielen, die an der Börse gehandelt werden dürfe. Denn genau deshalb entstünden die Redispatch-Kosten, weil an Tagen, an denen viel Strom erwartet wird, quasi wertloser Strom durch Europa transportiert werden soll. Die Kosten für diese Netze dann aber allen Bürgern aufzuerlegen, sei nicht gerechtfertigt, so Jarass.
Zumal selbst der Netzentwicklungsplan für die Zukunft sinkende Stromexporte aus Deutschland ins Ausland vorhersieht. Aus einem einfachen Grund: Wenn Kern- und Kohlekraftwerke in Deutschland vom Netz gehen, bleibt weniger Strom für den Handel an der Börse übrig. Daher würden die Annahmen der Netzbetreiber der zu transportierenden Strommengen für das Jahr 2030 vielleicht noch zutreffen, für 2035 aber wohl schon nicht mehr, prophezeit Jarass. Wozu dann also Leitungen bauen, die wenige Jahre nach ihrer Inbetriebnahme nicht mehr gebraucht werden?
Er habe in den europäischen Vorgaben nur einen einzigen Punkt gefunden, der den Netzbetreibern in die Hände spiele. Das seien die sogenannten Projekte von gemeinsamem Interesse. Es sind Stromtrassen, die angeblich für ganz Europa wichtig seien. Doch Jarass hat so sein Problem mit diesen Vorhaben: Sie werden nicht von der Politik definiert, sondern von der Arbeitsgemeinschaft der europäischen Übertragungsnetzbetreiber. Aus deren Empfehlungen leite die Politik dann ihre Gesetze ab. In Deutschland das Bundesbedarfsplangesetz. Kritiker des Netzausbau monieren seit Jahren, dass damit einem überdimensionierten Netzausbau Tür und Tor geöffnet werden. Schließlich garantiert Deutschland den Netzbetreibern eine Verzinsung von rund sechs Prozent aufs Eigenkapital bei Neubauten. Eine solche Rendite ist in diesen Zeiten anderswo schwer zu finden.