Nach der Flut im Ahrtal Vier Räder aus Sonneberg für Flutopfer

Rolf Dieter Lorenz

Auch nach seinen Hilfseinsätzen im Ahrtal in der Folge der Flut möchte Gerald Büttner den Menschen vor Ort helfen. Der Sonneberger macht Altautos wieder flott und spendet sie Bedürftigen. Mit einer Coburgerin will er nun einen gemeinnützigen Verein dafür gründen.

 
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„Wenn jeder ein bisschen was von dem gibt, was er hat, und jeder ein bisschen was von dem macht, was er kann – für andere, die in Not sind – dann wäre die Welt ein gerechterer Ort“, sagt Gerald Büttner. Das ist das Motto des 44-jährigen Sonnebergers, der anderen hilft und dafür eigenes Geld einsetzt. Und das, obwohl er momentan selbst nicht auf Rosen gebettet ist.

Derzeit arbeitet – oder besser: jobbt – Büttner beim Behindertenverband in Sonneberg. Dort erzielt er ein bescheidenes Monatseinkommen, da er nur stundenweise beschäftigt ist. „Als eierlegende Wollmilchsau“, wie er scherzhaft hinzufügt. „Aktuell fahre ich dort Auto, befördere Essen, behinderte Kinder und ältere Menschen. Außerdem checke ich die Autos durch, ob sie Mängel haben und repariere sie dann.“ Legitimiert sei er durch seine Berufsausbildung. „Ich habe Kfz-Mechaniker gelernt und vor einigen Jahren an der Staatlichen Berufsbildenden Schule meinen Techniker in der Fachrichtung Maschinenbau gemacht“, sagt der Sonneberger.

Nach Aufräumeinsätzen weiter helfen

In der Kreisstadt betreibt Büttner seit langem eine kleine Auto- und Reparaturwerkstatt. Als er 2021 die Fernsehbilder von der Flutkatastrophe im Ahrtal sieht, macht er sich auf den Weg dorthin, um an teils verlängerten Wochenenden ehrenamtlich bei den Aufräumarbeiten zu helfen. Viele Menschen hatten dort ihr Hab und Gut verloren, manche ihre Häuser oder Mietwohnungen sowie ihre Autos. Alles war von der riesigen Flutwelle mitgerissen, weggeschwemmt oder durch Schlamm unbrauchbar beschädigt worden.

Dabei kam ihm die Idee, auch nach den Aufräumeinsätzen zuhause in Sonneberg weiter zu helfen. Etwas zu machen, was er gelernt hatte und perfekt kann: Alte Autos wieder fahrtüchtig und flott zu machen. Um sie bedürftigen Alleinerziehenden im Ahrtal zu schenken, die sich nach der Flut keinen Gebraucht- oder Neuwagen mehr leisten konnten. Einzige Bedingung: Sie mussten spendenberechtigt sein. Denn sonst hätte Büttner, wie er sagt, für seine ehrenamtliche Hilfe selbst noch Schenkungs- oder Umsatzsteuer draufzahlen müssen.

Über einen Spendenaufruf in Facebook bekam er von einer Familie aus Effelder-Rauenstein einen alten, nicht mehr fahrtauglichen VW Polo geschenkt. Auf eigene Kosten kaufte der Sonneberger Kfz-Mechaniker Ersatzteile, reparierte das Fahrzeug in vielen Arbeitseinsätzen, machte es wieder fahr- und verkehrstauglich und brachte es durch die Hauptuntersuchung.

Mit neuem Auto ins neue Jahr

Mit Hilfe eines Freundes aus früheren Bundeswehrzeiten wurde im Ahrtal eine alleinerziehende Mutter mit zwei Kindern ausfindig gemacht, die ihr Auto bei der Flut verloren hatte und dringend Ersatz benötigte. Ihr Name: Sabrina Köster. Am Neujahrstag 2022 ließ sie sich von einem Bekannten vom Ahrtal nach Sonneberg fahren und holte dort das erste Spendenauto aus Gerald Büttners Werkstatt ab: den blauen Polo.

Für den Sonneberger, der nebenbei auch Bassgitarrist ist, sollte das Projekt „Spendenauto“ für Bedürftige im Ahrtal keine Eintagsfliege bleiben. Über Facebook postete er die erfolgreiche Aktion mit dem VW-Polo und rief zu weiteren Altautospenden auf. Von einem Musikerkollegen aus Ilmenau erhielt er daraufhin einen alten Nissan Micra. Und er bekam Kontakt zu der Coburgerin Antonia Gutscher. Sie half ihm, das inzwischen fahrtauglich reparierte Auto am Heck zu lackieren. Sie ist ausgebildete Porzellanmalerin und hat Erfahrungen mit der Airbrush-Methode. Sie fand Gefallen an dem Projekt „Spendenauto“, kennt sich auch mit Fundraising, PR, Werbung und Spendenaktionen aus. Seitdem hilft sie Gerald Büttner, das Projekt fortzusetzen. Denn der Sonneberger hat derzeit selbst nicht genug finanzielle Mittel, um immer wieder neue Ersatzteile für gespendete Altautos zu beschaffen oder für diese einen geringen Obolus oder symbolischen Preis zahlen zu können.

Vereinsgründung für weiteren Weg

Da es für beide inzwischen auch schwieriger geworden ist, wirklich bedürftige Alleinerziehende im Ahrtal für das zweite Spendenauto – den Nissan Micra – zu finden, wollen beide das Ganze auf eine breitere Basis stellen. Gerald Büttner und Antonia Gutscher haben sich überlegt einen Verein zu gründen: einen gemeinnützigen Verein, der Spenden einwerben und auch Spendenbescheinigungen ausstellen darf, um nicht nur Flutopfern im Ahrtal, sondern bundesweit allen einkommensschwachen und alleinerziehenden Menschen zu helfen. Menschen die in Not und beispielsweise auf dem flachen Land mangels Bus- und Bahnverbindungen kaum flexibel sind, und die deshalb dringend ein Auto benötigen, dessen Anschaffungskosten sie sich aber bei den derzeit hohen Gebrauchtwagenpreisen nicht leisten können. Eine gemeinnützige Vereinssatzung hat Antonia Gutscher inzwischen beim Sonneberger Amtsgericht eingereicht. Eine Antwort steht derzeit noch aus.

Dankbar für Hilfe aus Coburg

Gerald Büttner ist froh, dass die Coburgerin ihn nun bei der Fortsetzung seines sozialen Projekts unterstützt. Er allein hätte wohl aufgeben müssen, obwohl das überhaupt nicht seinem Naturell entspricht. Büttner hat bisher – trotz manch eigener Rückschläge – noch nie seine Hände in den Schoß gelegt und darauf gewartet, Sozialunterstützung vom Staat zu bekommen, auf den er mal einen Fahneneid geschworen hatte. Er war Zeitsoldat bei der Bundeswehr, war im Kosovo und in Afghanistan im Einsatz gewesen. Und er ist bis heute noch Reservist als Leutnant der Reserve im Gebirgspionierbataillon 8 in Ingolstadt. Er ist Lkw gefahren, hat lange Zeit einen Schrott- und Altmetallsammelplatz bei Sonneberg betrieben.

Zuletzt war er für eine Hamburger Offshore-Firma tätig und hat Windenenergieanlagen mit aufgebaut. Dann brachen dort einige lukrative Aufträge weg. Die Folge: Er war seinen Job wieder los, der ihm ansonsten kontinuierlich richtig gutes Geld eingebracht hätte. Seine Ersparnisse hatte er für die Fahrten nach Hamburg und für die Hotelunterbringungen dort investiert. Derzeit versucht er, finanziell und wirtschaftlich aus eigener Kraft wieder auf die Beine zu kommen. Er hat eine Idee, um sich wieder selbstständig zu machen, an der er gerade arbeitet. Aber: Die ehrenamtliche Hilfe, sozial Bedürftigen in Notlagen wieder vier Räder zur Verfügung zu stellen, die möchte er mit der Coburgerin Antonia Gutscher weiter betreiben. Eben über den gemeinnützigen Verein „Spendenauto“, der derzeit in Gründung ist.

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