Nach Brandstiftung Skisport ohne Schanze

Rolf Dieter Lorenz

Wer beim Langlauf und Skispringen Erfolg haben will, muss jetzt richtig ranklotzen, um fit zu werden. Auch deshalb lädt der SV Biberau (Landkreis Hildburghausen) jedes Jahr zum Tag des Wintersports - mitten im Hochsommer. Diesmal vor der Kulisse der mutwillig abgefackelten Vereinsschanze bei Biberschlag.

 
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Es ist Sonntagnachmittag gegen 15 Uhr im Roßbachtal bei Biberschlag. Annett Schlossarek, die Abteilungs-leiterin Ski beim Sportverein SV Biberau, ist mit sich und der Resonanz auf den Tag des Wintersports sehr zufrieden. Insgesamt 200 Menschen – alle 143 Vereinsmitglieder und Interessierte, darunter 50 Kinder und Jugendliche aus dem Verein und ebenso viele aus Kindergartengruppen sowie Eltern und Förderer – waren ab vormittags 10 Uhr zu der Veranstaltung rund um das Vereinshaus erschienen. Auch wenn diese erstmals unter ganz bitteren Vorzeichen stattfinden musste. Die vereinseigene Sprungschanze konnte nicht wie üblich für Trainingssprünge genutzt werden. Unbekannte hatten vier Wochen zuvor alle Kunststoffmatten unterhalb des Schanzentisches mutwillig und vorsätzlich in Brand gesetzt.

Zum Ende des Wintersporttages wandert Annett Schlossarakmit drei Vereinsmitgliedern noch einmal ein paar hundert Meter hoch zum Ort der Katastrophe. Die Schanze ist mit weiß-rotem Flatterband abgesperrt. Dahinter bietet sich ein Bild des Grauens. Alle Kunststoffmatten sind geschmolzen und verkohlt, bis hoch zum Schanzentisch. Auch die darunter liegenden Metallgitter und die Einfassung des Schanzenauslaufs waren bei dem Feuer am Sonntagmorgen, 12. Juni, zerstört worden.

„Wir wissen, dass es vorsätzliche Brandstiftung gewesen ist“, sagt Annett Schlossarek. Denn so einfach lasse sich eine Matte nicht in Brand setzen. Spezialisten der Kripo hätten es nach der Tat selbst auf verschiedene Weise versucht. Sie seien sicher, dass da irgendwas als Unterstützung eingesetzt worden ist. „Ob es Benzin war oder Diesel, wissen wir noch nicht“, so Schlossarek, „wir hoffen, dass wir weitere Infos bekommen, wenn der Abschlussbericht der Kripo vorliegt.“ Auf jeden Fall sei da viel kriminelle Energie im Spiel gewesen, sagt sie. Die Kripo selbst will sich auf Nachfrage unserer Redaktion noch nicht zu ihren bisherigen Erkenntnissen äußern. Die Ermittlungen liefen noch und dauern an, hieß es aus der Pressestelle der Kriminalpolizei in Suhl.

Obwohl die Sprungschanze zum Training bis auf Weiteres nicht zur Verfügung steht, wollte der Verein den traditionellen Tag des Wintersports, auf den sich Kinder und Jugendliche jedes Jahr freuen, nicht ausfallen lassen. „Wir sind noch da. Jetzt erst recht“, unter diesem Motto hat der SV Biberau rund um das Vereinshaus einen Trainings- und Hindernisparcour aufgebaut. „Im Winter ist hauptsächlich Wettkampfsaison“, sagt Ski-Abteilungsleiterin Schlossarek, „die Grundlagen dafür werden im Sommer gelegt.“ Da geht es hauptsächlich um Kondition, also um das Zusammenspiel der fünf motorischen Grundfähigkeiten von Ausdauer, Kraft, Beweglichkeit, Schnelligkeit und Koordinationsfähigkeit.

Begeistert und mit viel Elan bewegen sich die Kinder deshalb auf Skirollern, auf Inlinern oder auf dem Rollbrett. Hinzu kommen Crossläufe, Sprints, Hindernis- sowie Balance- und Gleichgewichtsübungen, ebenso Langlauf und kleine Abfahrtsübungen auf ausgelegten Matten. Auch vier Wochen nach dem Schanzenbrand ist der Skisportnachwuchs immer noch völlig schockiert und enttäuscht. Mara Schlossarek, die zwar in Oberhof aufs Sportgymnasium geht und später gern einmal in der Nordischen Kombination bei einer Winterolympiade starten möchte, sagt: „Ich habe halt hier immer trainiert, es ist eine Wut in mir und so traurig, ich bin hier großgewordenn, es ist schlimm.“ Und Marlon Bärthel aus Eisfeld ergänzt: „Es ist so schade, ich hoffe, wir finden die Täter, die das gemacht haben. Da hat man jetzt richtig Panik, dass das noch einmal passiert, wenn die Schanze wieder aufgebaut ist.“

Bis zum Wiederaufbau, trainieren die insgesamt 17 aktiven Skispringer und Nordischen Kombinierer unter den 50 Nachwuchssportlern auf Schanzen in Schmiedefeld und Zella-Mehlis. „Springen müssen wir, ohne Springen geht es nicht“, sagt der Trainer Felix Beiersdörfer. „Dadurch, dass wir durch die Hilfe der beiden Vereine nahtlos mit dem Sprungtraining weiter machen konnten, sind wir nicht in einem Trainingsrückstand, den wir aufholen müssten.“ Dem Trainer ist es zu verdanken, dass der SV Biberau in der Nordischen Kombination und im Langlauf wieder zum vorderen Feld in Thüringen zählt. „Wir waren ziemlich weit weg vom Fenster und haben uns in den letzten fünf Jahren aus einem großen Loch wieder herausgearbeitet“, sagt Beiersdörfer voller Stolz über seinen Ski-Nachwuchs.

Damit der bald wieder auf der vereinseigenen Schanze in Biberschlag trainieren kann, hat der Verein ein separates Spendenkonto eingerichtet. „Zum 7. Juli hatten wir 14 000 Euro bei 133 Eingängen auf dem Spendenkonto“, sagt Vereinschef Achim Witter. Er freut sich über die große Anteilnahme aus der Bevölkerung. Die Spenden seien aus ganz Deutschland zusammengekommen, selbst aus dem Schwarzwald und aus Hoppegarten bei Berlin habe es Überweisungen gegeben. „Mein großes Dankeschön gilt allen Spendern“, so Witter. In den den nächsten zwei bis drei Wochen will er durch eine Firma ermitteln lassen, was die Entsorgung der geschmolzenen und verkohlten Matten sowie der Wiederaufbau der Schanze kostet. „Wir sind mit dem Kreis- und dem Landessportbund sowie mit dem Innen- und Sportministerium im Gespräch und hoffen, das wir da Unterstützung bekommen“, sagt der Vereinschef, „es wird alles gebraucht.“

Wie hoch er die Kosten für Sanierung und Wiederaufbau der Schanze selbst einschätzt, sei schwer zu sagen. „Ich möchte keine Zahl nennen“, sagt Witter, aber 100 000 Euro sind garantiert zu wenig.“ So hoch hatte die Polizei den Sachschaden in einer ersten Schätzung beziffert. Fakt ist: Ohne Fördermittel und ohne weitere Spenden wird es für den SV Biberau schwer sein, die Sprungschanze für den Skisportnachwuchs möglichst schnell wieder funktionstüchtig zu machen.

Spendenkonto: SV Biberau e. V., IBAN: DE43 8409 4814 5523 5015 82, BIC: GENODEF1SHL, Volksbank Thüringen Mitte eG, Verwendungszweck: „Hilfe für den SV Biberau e. v.“

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