Da ist er wieder, der Hoffnungsträger. Wie Phönix aus der Asche, grau geworden, das schon, aber nicht mehr gebeugt, gebeutelt, müde, frustriert. Barack Obama bekommt seine zweite Chance. Mit unerwartet großem Vorsprung nach der Zahl der Wahlmänner. Und satte 90 Prozent der Deutschen dürfen sich mit dem wiedergewählten US-Präsidenten als Sieger fühlen. Sie könnten irren. Es ist keineswegs sicher, dass sich die Wiederwahl des Friedensnobelpreisträgers aus europäischer Sicht als Gewinn erweisen wird.

Gewiss: Auf kurze Sicht dürfen Brüssel und Berlin, London und Paris hochzufrieden sein mit Obamas Wahlsieg. Die Politik seiner Administration ist berechenbar, die transatlantische Zusammenarbeit kann ohne Brüche und Reibungsverluste fortgesetzt werden - kein geringer Vorteil in Zeiten der Krisenbewältigung auf den Finanzmärkten, im Nahen Osten, im Iran. Jetzt geht alles seinen gewohnten Gang, pragmatisch, vernünftig, geschäftsmäßig. Aber weit, weit entfernt von der Euphorie, von der visionären Kraft des Amtsantritts vor vier Jahren, als Barack Obama die ganze Welt verzauberte mit seinem Charisma, mit seinen Träumen von einem atomwaffenfreien Globus, von einer Versöhnung der muslimischen und der westlichen Welt. Zweite, letzte, Amtszeiten geben US-Präsidenten die Gelegenheit, sich intensiver um Außenpolitik zu kümmern, unbelastet vom Gedanken an die nächste Wahlkampagne auch schwierige Herausforderungen mit langem Atem anzugehen, unpopuläre Entscheidungen zu treffen. Man könnte davon träumen, dass Barack Obama jetzt beginnt umzusetzen, was er vor vier Jahren versprochen hat.