Würdig sehen sie aus, welterfahren, weißhaarig. Es ist sicher kein Zufall, dass weder Fritz Kuhn, der neue Stuttgarter Oberbürgermeister, noch Winfried Kretschmann, der Ministerpräsident Baden-Württembergs dem Klischee vom grün-alternativen Politiker so gar nicht entsprechen. Wären die beiden - wie der nun gar nicht weißhaarige, aber ebenso überlegt und distinguiert auftretende Boris Palmer als Tübinger OB - nicht die personifizierte Verlässlichkeit, sie hätten die Wahlen nicht gewonnen. Kretschmann, Kuhn, Palmer und auch zum Beispiel die Thüringerin Katrin Göring-Eckardt strahlen aus, was Wähler wünschen: Vertrauenswürdigkeit. Sie hängen ihr Fähnlein eben nicht in jeden (Umfrage-)Wind, sind durchaus auch mal sperrig und unbequem, aber authentisch. Und deshalb auch für eine eher konservative Schicht wählbar, eine Alternative eben.

Die Wahl Fritz Kuhns zum Stuttgarter Oberbürgermeister ist keineswegs eine Blaupause für den Wahlerfolg der Grünen im kommenden Herbst. Gewiss werden auch Bundestagswahlen in Zeiten von "Fernsehduellen" und überbordender Debatten um "K-Fragen" stark personalisiert; aber es spielen viele andere Faktoren mit. Der Jubel bei den Grünen im Bund über den erneuten Wahlerfolg im Südwesten ist deshalb zwar verständlich und taktisch richtig, aber mindestens verfrüht. Die Grünen werden nur dann ihre Umfrageergebnisse der vergangenen Monate halbwegs in Stimmenanteile umsetzen können, wenn es ihnen gelingt, mit der derzeit laufenden Urwahl ein überzeugendes personelles Angebot zu machen - und sie überdies Themen finden, mit denen sie sich gegen Schwarz-Gelb und die SPD profilieren können. Die Werbung für eine Neuauflage des rot-grünen Projekts allein ist sicher nicht attraktiv genug.