Meiningen. Es ist fast wie ein Naturgesetz: Will man es im Winter warm haben, dreht man die Heizung auf. Problem dabei – auch der Energiezähler dreht sich. Die Meininger Stadtwerke haben diese Gesetzmäßigkeit durchbrochen, ja sogar umgedreht. Wenn es in ihrem neuen Verwaltungsgebäude angenehm warm ist, spart das Unternehmen sogar Geld. Für die Umsetzung dieser genialen Idee gab es Ende letzten Jahres den Energiesparpreis den Landkreises.

Lange hatten die Stadtwerke mit sich gerungen, wo der Firmensitz weiterentwickelt werden sollte. Am Ende eines langen Diskussionsprozesses entschied man sich, die Verwaltung in der ehemaligen Nikolaus-Villa aufzugeben und auf dem Kraftwerks-Gelände am oberen Ende der Utendorfer Straße neu zu bauen. Aus heutiger Sicht ein Glücksfall, auch finanziell.

Bei den Planungen für den modernen Zweckbau wurden selbstverständlich alle Auflagen zum Wärmeschutz beachtet, im Dachbereich schon der Aufbau einer großen Photovoltaik-Anlage vorgesehen. Doch bei der Beheizung sah der Planer eine recht konventionelle Lösung vor. Er konnte damals nicht wissen, dass es im benachbarten Blockheizkraftwerk (BHKW) eine bisher nicht nutzbare Wärmequelle gab. „Wir hatten aber die Möglichkeit, diese Information noch rechtzeitig einzubringen und das Projekt entsprechend abändern zu lassen“, erinnert sich Heiko Quent, Betriebsleiter Strom und Wärme bei den Stadtwerken.

In einem BHKW wie es in der Utendorfer Straße steht, wird durch sogenannte Kraft-Wärme-Kopplung die eingesetzte (Erdgas-)Energie sehr gut ausgenutzt. So geht die Kühlwasser-Energie aus den Gasmotoren komplett in das Fernwärmenetz. Doch auch bei der Verdichtung des Gas-Luft-Gemisches im Turbolader entsteht Wärme, die vor der Verbrennung durch einen zweistufigen Ladeluftkühler abgeführt werden muss. Die Temperatur in der ersten Stufe ist hoch genug, um ebenso für die Fernwärme Verwendung zu finden. „In der zweiten Stufe hat das Kühlmittel nur noch konstant 40 Grad. Eine Nutzung wäre nur mit sehr hohem technischen Aufwand, beispielsweise mit dem Einsatz von Wärmepumpen, möglich gewesen“, erklärt Heiko Quent. Und so wurde diese Energie – in der Summe beider Anlagen immerhin eine Leistung von bis zu 400 kW – bisher komplett über elektrisch angetriebene Tischkühler in die Luft geblasen.

Durch die unterdessen praktizierte Beheizung des Verwaltungsgebäude kann ein Teil dieser zuvor verlorenen Energie nun genutzt werden. Die alles entscheidende Idee dafür kam von Wärme-Meister Gerd Lorenz. Mit seinem Team entwickelte er sogar die Steuerung der Anlage selbst, auch erfolgte die praktische Umsetzung in Eigenregie.

Das Funktionsprinzip erscheint auf den ersten Blick simpel: Die 40 Grad der zweiten Ladeluftkühl-Stufe durchlaufen mehrere Wärmetauscher. Konstant 39 Grad werden so in den Heizkreislauf eingespeist und per Rohrleitung in das Verwaltungsgebäude geleitet. Ein ausgeklügeltes Steuer- und Regelsystem sorgt dafür, dass immer die richtige Wärmemenge abgezweigt wird. Der Wärmeüberschuss passiert weiterhin die Tischkühler. „Deren Leistung konnten wir aber spürbar drosseln“, so Gerd Lorenz.

Das 39 Grad warme Wasser durchfließt erst die Röhren der Fußbodenheizung, kommt dann zurück und wird noch einmal durch die Decken der Büros gepumpt. „Die Regelung der Raumtemperatur durch die Mitarbeiter wirkt nur auf den Fußbodenkreislauf. Fließt weniger durch diese Rohre, fließt automatisch auch weniger durch die Betonkernheizung in den Decken“, erklärt Lorenz das Wirkprinzip.

Seit der Inbetriebnahme im Oktober 2008 wurden 171 000 Kilowattstunden Wärme in das Objekt gepumpt. Die Kosten dafür liegen unter Null, wenn man die eingesparte Elektroenergie durch den geringeren Kühlereinsatz mit einrechnet.

Die Reserven der Anlage sind noch üppig, doch die weitere Ausnutzung nicht so einfach. „Es funktioniert so gut, dass wir natürlich intensiv überlegen, was wir noch anschließen können“, so Heiko Quent. Die Sache hat aber einen Haken. Wegen der sehr niedrigen Vorlauftemperatur dürfen die Abnehmer nicht weit entfernt vom BHKW liegen. „Wir haben noch ein paar Nebengebäude im Auge und werden auch der benachbarten Tischlerei Jäger ein gutes Angebot machen.“ Die kleine Firma bezieht derzeit Fernwärme, würde aber mit den niedrigen Vorlauftemperaturen der Alternativvariante klarkommen, bestätigt deren Chef Steffen Jäger auf Anfrage.

Über den 1. Preis beim Energiesparwettbewerb des Landkreises hat sich Stadtwerke-Geschäftsführer Wolfgang Troeger sehr gefreut. „Das besondere an der Anlage ist die technische Lösung. Da haben unsere Mitarbeiter sehr gute Arbeit geleistet und bewiesen, dass sie wirkliche Experten auf ihrem Gebiet sind“, ist er voll des Lobes und betont: „Wir nutzen mehr und mehr das Potenzial unserer sehr gut ausgebildeten Leute im eigenen Haus.“ Das sei ein sehr wichtiges Kapital des Unternehmens Stadtwerke. (rwm)