Meiningen "Wahre Heldinnen des Alltags": Feuerwehrfrauen beim Bundeskongress

Wolfgang Swietek

150 Frauen aus allen Bundesländern kamen am Wochenende zum 27. Bundeskongress vom Netzwerk der Feuerwehrfrauen nach Meiningen. Getagt wurde nicht nur im Volkshaus.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Meiningen - Von einem Bundeskongress mag sich der Außenstehende ein anderes Bild machen. Vorträge, Diskussionsrunden, stundenlang am Tisch sitzen und sich Notizen machen, um später zu Hause zu berichten. Mag sein, dass es in vielen Fällen so ist. Nicht so beim Netzwerk der Feuerwehrfrauen, die sich am Wochenende zum 27. Bundeskongress trafen und aus allen Bundesländern nach Meiningen gekommen waren.

Sicher, angefangen hatte es genau so. Im großen Saal des Volkshauses wurden sie begrüßt, da holten sich die Feuerwehrfrauen ein gutes Maß an öffentlicher Anerkennung und damit Selbstvertrauen ab. So vom Thüringer Innen-Staatssekretär Udo Götze, von Landrätin Peggy Greiser und Bürgermeister Fabian Giesder, von Lars Oschmann, dem Vorsitzenden vom Thüringer Feuerwehrverband, und von Susanne Klatt, der Vorsitzenden des Netzwerks der Feuerwehrfrauen.

Als "Wahre Heldinnen des Alltags" bezeichnete Greiser die Frauen in Anerkennung ihrer Leistungen. Dass der Frauenanteil bei den Feuerwehren im Landkreis um einiges über dem deutschlandweiten Durchschnitt liegt (elf statt neun Prozent), sagte sie nicht ohne Stolz, auch wenn es hier keine Berufsfeuerwehr gibt, somit alle Aufgaben im Ehrenamt geleistet werden. Es sei auch in dieser Beziehung eine Prachtregion. Ihr pflichtete der Bürgermeister bei, der von der Wehr, deren oberster Dienstherr er ist, sagte: "Wir haben in Meiningen eine Feuerwehr, auf die Verlass ist, auf die wir mit Stolz blicken können."

Über den nötigen Wandel in der Feuerwehr sprach Innen-Staatssekretär Udo Götze: "Wir hatten vor 30 Jahren in Thüringen 64 000 Mitglieder in den Freiwilligen Feuerwehren, jetzt sind es 34 000." Deshalb müsse man mehr Mädchen und Frauen den Weg öffnen, sie für eine Mitarbeit gewinnen. Auch die Gebietsreform habe Wehren vor neue Herausforderungen gestellt. Wenn gewachsene Strukturen aufgegeben werden müssen, da gebe es immer erst Skepsis. Doch vielfach sei das Zusammenlegen von Wehren, das Miteinander in größeren Strukturen gelungen. "Wir müssen weitere Schritte gehen, damit wir die Herausforderungen meistern können", sagte der SPD-Politiker.

Gleichberechtigt im Einsatz

Die Arbeit des Vorbereitungskomitees für den Kongress lobte Susanne Klatt: "Wir hatten zunächst Bedenken, eine Freiwillige Feuerwehr mit der Ausrichtung zu beauftragen. Konnten uns nur schwer vorstellen, dass deren Möglichkeiten ausreichen, um das s zu bewältigen. Doch sie haben einen tollen Job gemacht, alles scheint zu klappen." Angelika Fleischmann von der Meininger Wehr, bei der alle Fäden zusammenlaufen, und ihre Mitstreiter hörten diese Worte mit Stolz. Als alle Grußworte gesprochen waren, schlossen sich zwei Vorträge an. Wie Feuerwehren bis an die Grenze ihrer Belastbarkeit gefordert werden können, demonstrierte Michael Reith im Bericht vom Großbrand im Europapark Rust, bei dem ein Schaden im dreistelligen Millionenbereich nicht verhindert werden konnte.

Nur 97 Sekunden hatte es gedauert, bis die große Halle in Vollbrand geraten war. Doch durch das schnelle und besonnene Handeln der eingesetzten Wehren erlitt nicht ein Besucher - immerhin waren zu diesem Zeitpunkt etwa 22 000 Gäste vor Ort - einen Schaden. "Die Rolle der Frau in der Zukunft der Sicherheit" war das Thema des Vortrages von Stefan Truthän. Neues Denken und neues Handeln forderte er ein. Geschickt provozierte er seine Zuhörer mit so mancher These. "Stellt euch vor - es kommt eine Feuerwehr und nur Frauen steigen aus? Wenn ich das sage, da lachen oft manche Männer. Aber ist es besser, wenn Männer mit über 70 aus dem Fahrzeug klettern? Wer ist da besser drauf? Ihr Frauen versucht gerade, euch in von Männern dominierten Strukturen durchzubeißen." Und weiter: "Warum schafft es ein Frauennetzwerk, bei einem solchen Kongress eine Kinderbetreuung zu organisieren? Ich habe das noch nie erlebt bei Männern."

Vorträge und Gesprächsrunden - hatte nach zwei Stunden ein Ende. Dann ging es über zum eigentlichen Grund, weshalb sich die Feuerwehrfrauen trafen - praktischer Weiterbildung. In viele Arbeitsgruppen und Standorte teilten sie sich auf. In den Gerätehäusern in Meiningen, Helba und Dreißigacker und im Innenhof vom Marstall ging es drei Tage lang zur Sache. Da löschten sie Brände und befreiten verunfallte Personen aus Autos, seilten sich aus der oberen Etage des Gerätehauses ab oder tauschten bei Streitgesprächen ihre Meinungen aus. Die Vielzahl der Themen deckte die gesamte Palette der Feuerwehrarbeit ab. Dass Frauen auf ganz spezielle, von Männern verursachte Probleme treffen, deutet das Workshop-Thema "Souverän agieren bei Stammtischparolen" an. Doch vorrangig ging es um Arbeitsfelder, die beide Geschlechter gleichermaßen betreffen: "Gewaltsamer Angriff auf Rettungskräfte", "Zusammenarbeit mit der Polizei" und "Unfallursachenermittlung", "Notfallmedizin in der Feuerwehr" und "Phänomene der schnellen Brandausbreitung", "Tunnelausbildung" und "Spezielle Rettung aus Höhen und Tiefen" - es sei schwer, sich zu entscheiden, sagten Lisa Krause und Marta Driesener, die aus der Hamburger Gegend nach Meiningen gekommen waren.

Kaum ein Unterschied

Ob das für eine Frau nicht zu anstrengend sei, ein Auto zu zerschneiden oder sich aus der dritten Etage abzuseilen, der Frage widersprach Antonia Gebhard vehement. Sie entschied sich bewusst dafür, ist seit einigen Jahren bei der Berufsfeuerwehr Nürnberg. "Wenn man sich fit hält, gibt es kaum einen Unterschied zwischen Männern und Frauen. Nur im Team sind wir stark."

Susanne Klatt aus Essen wird noch deutlicher: "Wir Frauen sind keine Art Volkssturm, der einst gebildet worden ist, als die Männer im Krieg an der Front waren und die Frauen die Männer ersetzen mussten. Wir machen das, weil wir es wollen, und weil wir es können. Wir haben die Chance und die nutzen wir."

Bilder